Anachronismus Briefpost im geschäftlichen Kundenverkehr

briefverteilung.jpgMeine Nikon D70s hat vor ein paar Wochen jemand versehentlich in einem Restaurant vom Tisch geschubst.

Objektiv rappelt und zoomt nicht mehr, Kamera macht komische Geräusche beim Blitzen. Sah recht teuer aus. Zum Glück wäre es ein Haftpflichtschaden.

Also am 15. Februar zu FotoPro Ganz (die Website ist ein Fall für sich) am Stauffacher gebracht, in Sichtweite meines Bürofensters, für einen Kostenvoranschlag. «Müssen wir zu Nikon einschicken, dauert zwei bei drei Wochen», sagte Herr Muff. Ich knirsche bei sowas innerlich immer etwas mit den Zähnen, weil ich denke, der eigentliche Prozess dauert vermutlich zwei bis drei Stunden – aber was will man machen.

Heute, zwölf Tage später, also immerhin schneller als die absurde Vorgabe, kommt ein Brief mit dem Kostenvoranschlag. Auf Seite 1 steht nur der Preis für die Reparatur des Kameragehäuses: 225 Franken. Geht ja noch. Seite 2 sollte vielleicht für das Objektiv sein, ist aber nur eine Kopie von Seite 1.

Ts. Jetzt muss ich also nachfragen, was das Objektiv kosten soll. Auf dem Brief stehen eine Telefon- und Faxnummer, keine Mailadresse, nur die Ansprechperson, Adrian Muff. Von dem habe ich noch eine Visitenkarte, aber die ist auch nicht von ihm, sondern nur von der Filiale.

An der Stelle beginne ich, mich langsam aufzuregen. Nicht so sehr, weil ich vermute, dass in diesem Prozess alle miteinander per Post kommunizieren, also die eigentliche Werkstatt, vielleicht sogar noch eine zentrale Reparaturbearbeitungsstelle und die Filiale von FotoPro am Stauffacher.

Sondern dass ich dort anrufen muss. Ich hasse anrufen! Ich will mailen! Eine eingehende E-Mail könnte ich jetzt zum einen schnell weiterleiten (z.B. an die Verursacherin des Schadens), und zum zweiten könnte ich antworten und sagen: „Hallo, wo ist denn der KVA für das Objektiv?“, und ich hätte vermutlich heute noch zwei Antworten.

So dagegen muss ich anrufen, Herrn Muff verlangen, hoffen, dass der nicht gerade frei hat oder in der Kaffeepause ist, und das, obwohl ich weiss, dass Muff eh nur der Mittelsmann ist. Muff muss dann vermutlich irgendwo nachfragen, vielleicht muss nochmal jemand nachfragen, dann muss Muff mich wieder zurückrufen, und wenn es schlecht läuft, ist der Standardprozess, dass sie mir das andere Blatt für das Objektiv auch nochmal per Post schicken. Hilfe!

Ich sage ja nicht mal, dass ich ein Web-2-0-iges Reparaturportal will, wo ich mich einloggen kann und meiner Kamera auf einer Livecam beim Geflicktwerden zusehen kann («CamFixR puts the fun back into fixing cameras.») Aber E-Mail als Kommunikationsmittel, und zwar möglichst früh im Prozess an mich, mit Kopie an Herrn Muff, wäre doch nicht zuviel verlangt. Ich wäre auch nicht verwirrt, wenn eine Frau Müller von Nikon Schweiz oder Herr Meier von der Digitalkamera Reparatur AG mir plötzlich mailt. Ehrenwort!

Ich weiss nun, dass es eben nur praktisch aussieht, die Kamera direkt hier gegenüber abzugeben (hauptsächlich, weil man nicht doof zur Post laufen muss, um das Päckchen abzugeben). Das nächste Mal werde ich „reparatur nikon schweiz“ googeln, auf diese wunderbare Seite gelangen und dort auf «Reparaturen online» klicken. Ich könnte mich ohrfeigen, dass ich das nicht vor zwei Wochen gemacht habe.

Sorry, FotoPro Ganz, your business is dying. Und zwar nicht (nur) wegen des Media Markts, wo das neue Ding immer ein paar hundert Franken billiger ist als bei Dir, sondern weil dieser Briefquatsch und das „One Face to the Customer“ vielleicht von über 60-jährigen als guter Service aufgefasst wird, aber von mir schon lange nicht mehr.

4 Gedanken zu „Anachronismus Briefpost im geschäftlichen Kundenverkehr“

  1. Die besten Posts schreibt doch das Leben selber. Gratuliere zu einem sagenhaften copy&paste -Talent! Ich wußte ja gleich, daß es sich lohnt, Dich zu verfolgen ;)

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