Frank Schmiechen, Welt Kompakt: Glaubwürdigkeit dahin in 555 Zeichen

Frank Schmiechen von Welt Kompakt kommentiert peinlich bei Ulrike Langer.

Ulrike Langer hat darauf aufmerksam gemacht, dass der «Welt»-Text «Was die Zeitungsverlage von Google lernen können» zum im Vergleich nachträglich publizierten englischen Original-Text von Jeff Jarvis (publiziert ohne eigentliche Überschrift, als Blogpost «My advice to German media») einige etwas verdächtige Kürzungen und einen dummen Übersetzungsfehler enthält.

«Carta» hast es aufgegriffen, daher findet man das ganze inzwischen als zwei identische Posts in zwei Blogs: «Welt Online: Verlegerkritische Passagen fehlen in Jeff Jarvis-Übersetzung» (ich schliesse mich Ralf Schwartz an: Die Carta-Überschrift ist klarer, aber die Kommentar bei Ulrike sind relevanter – besonders der erste vom stellvertretenden Welt- und verantwortlichen Welt-Kompakt-Chefredakteur Frank Schmiechen).

Also: Hier lesen bis zum ersten Kommentar.

Schmiechen kommentiert:

Na, liebe Frau Langer, das ist aber eine hauchdünne Argumentation von Ihnen.

Hmpf. Saublöder Einstieg.

Eine Übersetzungsunschärfe…

Das ist meine Lieblingsstelle. Eine «Übersetzungsunschärfe» ist es, wenn man etwas nicht genau übersetzen kann, weil es etwa ein Wort in der anderen Sprache nicht gibt, oder weil ein Wortspiel aus dem Original nicht funktioniert. «Hyperlocal bloggers» mit «überörtliche Blogger» zu übersetzen ist keine Unschärfe, sondern ein Fehler, nichts anderes.

«Hyperlocal» heisst ja, wie Ulrike schon schreibt, «über einzelne Stadteile oder einzelne Straßen schreiben – über Gebiete, die Tageszeitungen zu kleinteilig und unwirtschaftlich erscheinen, um sie zu beackern». Die im Deutschen nicht existente Wortschöpfung «überörtlich» muss man als Leser wohl als «überregional» interpretieren, und das heisst in Deutschland meist «bundesweit». Sagen wir mal, so ein Hyperlocalblogger hat eine Reichweite von 10’000 Leuten, dann reden wir hier also über eine «Unschärfe» mit dem Faktor 8000.

…zwei oder drei Stellen, die von uns redigiert wurden. (…) An der Aussage des Textes hat sich durch unsere Kürzungen nichts, aber auch gar nichts geändert. Die Hauptthese von Jarvis natürlich auch nicht.

Na ja. Des besseren Verständnisses wegen wurden alle Absätze, in denen Jarvis konkreter wird, komplett weggelassen? Es ist ja recht bemerkenswert, dass ein US-Amerikaner den deutschen Markt so gut kennt, dass er das kann; bei anderen Gelegenheiten freut man sich immer sehr, wenn berühmte Amis sich in Deutschland auskennen.

Ach und übrigens: Der Text ist in WELT KOMPAKT und auf WELT ONLINE erschienen. Nicht in der WELT.

Ja, sehr wichtig, sich darüber hier und jetzt zu mokieren. Aber, ach, und übrigens: Der Fehler ist in der Online-Version immer noch drin:
Übersetzungsfehler 'überörtlich'

Wie lange hätte das gedauert, den gestern Abend nach 17.56 Uhr noch zu korrigieren? Inklusive Login ins CMS keine vier Minuten, behaupte ich, also um 18.00 Uhr fertig.

Es wäre nicht wahnsinnig schwierig für Schmiechen gewesen, etwas Schlaueres zu antworten. Etwas, bei dem er ein bisschen eingelenkt hätte, indem er gesagt hätte, ja, sorry, wir hatten halt im Blatt beschränkten Platz, aber online können wir ja schnell den Fehler korrigieren, die übrigen Passagen der Übersetzung noch dazu stellen und zudem auf den Originaltext verlinken. Das hätte etwas Grösse gezeigt, die 5000 Interessierten, die sowas online verfolgen, hätten gedacht: «Immerhin», und die vielleicht 100’000 Leute, die Welt Kompakt lesen (genauer weiss man es nicht, die Auflage wird nicht einzeln ausgewiesen) hätten es nie erfahren.

Stattdessen merke ich: Oh, nein, ich dachte, der Schmiechen von Welt Kompakt, der gute, kurzweilige Twitterer (das Blatt lese ich nur im Flieger, aber habe da auch schon gute Geschichten gesehen), der sei ganz cool. Aber in Wirklichkeit ist er offenbar auch nur einer von diesen Abstreitern, Rausredern, Nicht-Aktualisierern, die reflexartig aufkläffen, wenn man ihnen einen Fehler nachweist, statt sich inhaltlich damit zu befassen.

Nach 21 Monaten Twitter-Reputationsaufbau hat er nur 555 Zeichen gebraucht, und seine Glaubwürdigkeit ist bei mir dahin.

Ein Gedanke zu „Frank Schmiechen, Welt Kompakt: Glaubwürdigkeit dahin in 555 Zeichen“

  1. „die reflexartig aufkläffen, wenn man ihnen einen Fehler nachweist, statt sich inhaltlich damit zu befassen“

    Es kommt drauf an, wie man einen Fehler meldet.

    Ihnen will ich nichts Unlauteres unterstellen, Sie haben Herrn Schmiechen ja wohl auch gar nicht kontaktiert (was ich allerdings besser fände, als darüber zu bloggen), aber vielleicht hat Herr Schmiechen bereits schlechte Erfahrungen mit sowas gemacht oder wird gefeuert, wenn er einen Fehler zugibt.

    Und jetzt reiben sich seine Feinde die Hände und schicken Ihren Eintrag rundum.

    Es gibt solche Übersetzungsfehler täglich zu Hunderten. Nicht gut, aber auch unvermeidlich. Setzen Sie mal einen Bayern an einen englischen Text.

    Ich finde es jedenfalls arg, wie sehr der Wolf des Wolfes Feind ist in der schreibenden Zunft.

    Wo ist der Unterschied zwischen einem Don A. und anderen Bloggern?

    Bei Don A. weiss man vorher, dass er motzt.

    (Ok, ich gebe zu, ich motze jetzt auch…)

    Zuerst dachte ich ja, Sie unterstellen Schmiechen, bei Jarvis abgeschrieben zu haben. Aber darum geht es ja gar nicht.

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