Zwei Wochen Kur

Ich bin zwei Wochen zur Kur. Habe nichts Ernstes.

Ich bin seit Mitte letzter Woche für zwei Wochen zur Kur in einem Kurhaus in der Ostschweiz. Eine Abwesenheit spricht sich natürlich in Zürich herum, und vorhin kam per Twitter-DM der Besserungswunsch angesichts meiner «Erschöpfungsdepression» (aka Burnout). Eigentlich wollte ich den Ball flach halten und gar nichts kommunizieren, aber solche Gerüchte müssen ja nun doch nicht sein.

Das mit der Kur kam so: Ich war letzte Woche bei meinem Hausarzt und sagte: Puh, ich konnte die Weihnachtsferien gar nicht richtig geniessen, bin irgendwie etwas schlapp. Es stellte sich heraus, dass mein Blutdruck deutlich zu hoch war, was angesichts meines Gewichts keine echte Überraschung ist. Mein Arzt meinte, ich sollte mal einen «Initialimpuls» zur Gewichtsreduktion machen, die natürlich schon lange im Raum steht, und zwei Wochen zur Kur gehen. Gute Idee, meinte ich, ich schaue mal wegen eines Termins, vielleicht im Februar. Er rief bei einem Kurhaus in der Nähe an, und mit dem Hörer in der Hand fragte er mich: «Soll ich Sie also für morgen früh um 9 Uhr anmelden?» Ich war natürlich etwas übertölpelt, aber natürlich trotzdem noch Herr meiner Sinne, als ich spontan zustimmte. Der Januar ist eigentlich nicht so schlecht für einen kleinen Feriennachschlag; die Dreikönigstagung des Verbands Schweizer Medien zu verpassen habe ich denn auch gerade so verschmerzen können, vor allem dank der vielen Qualitätstweets der Anwesenden.

Und so bin ich hier also, in einem schönen Haus, dessen oberste vier Stockwerke wirken wie ein Hotel, dem man kaum ansieht, dass sich in den beiden Stockwerken darunter noch alle möglichen gesundheitsfördernden Einrichtungen verstecken, teils nüchtern-medizinisch, teils schöngeistig-wellnessmässig.

Es war eigentlich immer schon mein geheimer Traum, statt klassischer Ferien – man fährt mit den Kindern irgendwohin und ist mit deren Bändigung etwas so beschäftigt wie sonst mit der Bändigung der Mitarbeiter und Kollegen dem normalen Joballtag – mal zwei Wochen nur rumzuliegen, zu lesen und endlich mal bis zum Abwinken Serien zu schauen («Breaking Bad» – super Tipp via Facebook von Ibo Evsan).

Der Aufenthalt hier kommt dem sehr nahe. Natürlich fahre ich ein paarmal am Tag mit dem Lift runter nach U1 und habe Physiotherapie, Aqua Relax (wirklich relaxend, solange man nicht lachen muss) oder Ergolinetraining auf dem Bike, aber das ist alles sehr entspannend und lenkt nicht vom Erholen ab. Ich lese jeden Morgen drei Zeitungen (NZZ, Tagi, Tagblatt) – auf Papier. Sicher liegt es vor allem daran («Print wirkt!»), dass mein Blutdruck auch ohne Medikamente nur durch drei Tagen schon deutlich gesunken ist – und natürlich am sehr beruhigenden Plot von Breaking Bad.

Zur Sicherheit: Ich finde nicht, dass eine Erschöpfungsdepression etwas Ehrenrühriges wäre, im Gegenteil, meine aufrichtigen besten Wünsche gehen an jeden, der das hat oder mal hatte. Und es gibt natürlich durchaus ein paar Faktoren, die mich auch auf diese Schiene bringen könnten. Aber da das Buch darüber schon geschrieben ist, habe ich mich entschlossen, lieber deutlich vorher die Abzweigung zu nehmen, und darüber bin ich sehr happy. Ich kann so eine Pause nur jedem empfehlen, der in seinem Job viel um die Ohren hat.

Noch ein Wort zu Online vs. Offline: Natürlich haben mir alle Mitarbeiter gesagt: Lass bloss alle Geräte zuhaus. Das habe ich nicht gemacht, sondern habe sie dabei, nutze aber Büro-Features wie E-Mail und Kalender sehr wenig. Ich lasse das iPhone bei allen Anwendungen im Zimmer und schaue meine Mails nur alle paar Stunden an. Am Wochenende habe ich mal locker zwei Stunden Newsletter abbestellt etc., was schon fast eine kontemplative Wirkung hat. Den Laptop nutze ich wie gesagt fast nur für Videos, das iPad hatte ich noch gar nicht in der Hand. Ich glaube, ich fände es stressiger, ganz abgeschnitten zu sein, als gelegentlich mal reinzuschauen, was läuft, und festzustellen, dass wenig läuft – und selbst wenn, dank Out-of-Office-Meldung erwartet niemand eine Antwort. Bisher bin ich jedenfalls mit «wenig online» ganz happy.

Am 28. Januar bin ich in neuer Frische wieder Büro. Und relaxen hin oder her, ich freue mich natürlich jetzt schon darauf.