Laudatio für Beat Schmid, Ehrenpreisträger Best of Swiss Web 2012

Gestern Abend wurde der «Best of Swiss Web»-Ehrenpreis an Prof. em. Beat Schmid verliehen, meinen ehemaligen Chef. Ich durfte ein Drittel der Laudatio halten.

Nachtrag vom 6. Oktober 2012: Die sind lustig der Organisation von «Best of Swiss Web»: Stellen das Video von meiner Laudatio eine Woche nach der Veranstaltung auf YouTube, sagen mir aber vorsichtshalber nichts davon. Gerade zufällig entdeckt, dümpelte bei 100 Views dahin. Der Text unten basierte auf meinem Manuskript; da gibt es nun halt gewisse Abweichungen, die ich aber nicht mehr abgleiche. Es gilt das gesprochene Wort – ausser dort, wo ich versehentlich etwas provokant wurde, dort gilt der gemässigtere Text.

Gestern Abend war die Preisverleihung der «Best of Swiss Web»-Awards, einem seit zwölf Jahren durchgeführten Branchenpreis der Schweizer Webszene. Ich war bis vor zwei Jahren Jury-Präsident der Kategorie Usability und durfte gestern zurückkehren, um eine Laudatio auf Professor Beat Schmid zu halten, bei dem ich vor gut 15 Jahren studiert und gearbeitet habe. Beat Schmid ist eine Art «Hidden Champion» der Schweizer Internetbranche: Wenige wissen, dass er sehr früh wichtige Impulse für die Entwicklung gegeben hat, und wie viele inzwischen namhafte Firmen wie Namics und Crealogix aus seinem Lehrstuhl hervor gingen. Entsprechend würdigten ihn drei Laudatoren: Prof. Andrea Back (meine Doktormutter) über sein Wirken an der HSG und am Institut für Wirtschaftsinformatik, Bruno Richle, Gründer von Crealogix, über sein Wirken als Verwaltungsrat, schliesslich ich aus Sicht eines damaligen Studierenden.

Hier mein Text:

Lieber Herr Schmid
Meine Damen und Herren

Viele Leute neigen dazu, ihre Studienzeit im Nachhinein zu verklären. Ich nicht.

Einer meiner schlimmsten Momente an der HSG war für mich im Jahr 1993, als meine Kollegen am Institut für Wirtschaftsinformatik, die «Forschung» betrieben, eine IP-Adresse bekamen (die HSG war damals noch auf IPX/SPX) — aber ich nicht, weil ich für die Lehre zuständig war.

Kurz danach stand der erste Webserver der Ostschweiz, der am Lehrstuhl Schmid aufgesetzt wurde (die Streber von der ETH waren natürlich schneller, nicht zu reden von denen am CERN) quasi in der Abstellkammer neben mir — und ich konnte nicht drauf.

Meine Büronachbarn, die Kollegen vom «CC TeleCounter», Richard Dratva sitzt dort vorn, die damals das Online-Banking der Zukunft erfanden — das zwar heute etwas anders aussieht als damals in Visual Basic mit Drag and Drop von Einzahlungsscheinen und Bleistiften skizziert, aber das immerhin eingetreten ist — sie konnten endlich zuschauen, wie sich die Schwarz-Weiss-Websites von amerikanischen Universitäten in nur wenigen Minuten in «Mosaic» auf dem eigenen PC aufbauten.

Einige Monate später gab es dann zwar TCP/IP für die ganze HSG. Aber wenn ich mir auch nur die Entwicklung von Namics und Crealogix anschaue, die aus diesem Team hervorgingen, stelle ich fest, dass ich den Initial-Rückstand von 1993 offenbar bis heute nicht aufgeholt habe.

Was habe ich also in der Zeit gemacht, in der die anderen surften? Was jeder gute Assi macht: PowerPoint.

Einige Slides davon habe ich mitgebracht, nämlich die legendäre Präsentation, mit der Herr Schmid damals durch die Lande reiste und das Internet erklärte. Ich bin überzeugt, dass die Zahl der Schweizer Führungskräfte, die zum ersten Mal von Beat Schmid vom Internet hörten, in die Tausende geht.

Slides mitgebracht — das tönt, als sei ich gut organisiert. In Wirklichkeit habe ich natürlich Andreas Göldi nach Boston geschrieben, der hat das PPT95-File, das man mit heutiger Software gar nicht mehr öffnen kann, durch irgendeinen Online-Konverter gejagt und es mir zehn Minuten später gemailt. Er lässt Sie übrigens schön grüssen.

Was ich hier zeige, sind wirklich nur die Slides, die ich selbst gemalt habe, denn die komplizierteren, auf denen die elektronischen Märkte erklärt werden, habe ich ehrlich gesagt bis heute nicht genau verstanden.

Wirklich, so sah das damals aus, dieses bunte war modern!

Auf dem nächsten Slide sehen wir, dass wir es mit ortslosen, interaktiven und multimediale Informationsobjekten zu tun bekommen würden – die wir heute jeden Tag besuchen und zum Beispiel Websites nennen.

Ich finde es bis heute gut zu wissen, dass das Internet etwas silbrig glänzt aussenrum.

Schön fand ich noch die Grafik der Anzahl Internet-Hosts, die im Jahrzehnt von 1985 bis 1995 schon ein beeindruckendes Wachstum von 0 auf 7 Millionen hinter sich hatte. Wer es vergleichen möchte: Vor genau einem Jahr gingen bekanntlich die Adressen für den Adressraum IPv4 aus, mit dem man 4.3 Milliarden Hosts adressieren konnte.

Meine Lieblingsgrafik bis zum heutigen Tage bleibt aber die letzte Folie, die ich eigentlich gern gross in meinem Büro aufhängen würde: die Substitution von Pferden durch Autos.


(JPG grossPDF)

Denn auch 1995 musste man Managern schon mit Metaphern, die sie verstehen konnten, die Zukunft erklären. 1995 war das die Substitution von Pferden durch Autos zu Beginn des Jahrhunderts.

Ich weiss noch genau, wie Herr Schmid damals in den Vorträgen immer sagte: «Um die ersten Autos zu bedienen, musste man noch ein halber Ingenieur sein, weshalb die Droschkenkutscher sagten: ‚Das wird sich nie durchsetzen!’»

Nun, man könnte heute die Pferde und Autos in der Grafik durch eine Menge aktuelle Dinge ersetzen — sagen wir zum Beispiel durch Zeitungen und iPads — und einigen müsste eigentlich einiges klarer werden. Erstaunlicherweise ist das aber nicht so, sondern ich verbringe in meinem Job recht viel Zeit damit, mit Leuten zu debattieren, die diese Entwicklung in Frage stellen.

Ich frage mich, wie damals die Argumentation lief. Vielleicht sagten einige: «Die Haptik ist bei so einem Pferd einfach viel besser», oder: «Zu einem schönen Tag gehört für mich einfach dazu, dass ich morgens zur Arbeit reite.»

Und tatsächlich, es gibt ja auch immer noch Pferde und Fuhrwerke und Kutscher, und ich unternehme sogar regelmässig Kutschfahrten: im Schnitt etwa alle zwei Jahre, in den Ferien, wenn meine Söhne mich dazu zwingen.

Lieber Herr Schmid, ich könnte noch diverse Beispiele bringen, etwa von Brillen, mit denen wir ab ca. 1997 «in die Daten gehen», aber ich darf hier nicht länger.

Was ich Ihnen an dieser Stelle sagen möchte: Das Rüstzeug, um diese Transitionen vielleicht etwas früher und etwas klarer zu erkennen als andere, haben wir damals von Ihnen im Studiumgang «Informationsmanagement» bekommen.

Herzlichen Dank dafür!

Best of Swiss Web:
Liveblogging Awardnight

Soll ich wirklich livebloggen? Sitze sehr weit von einer Steckdose entfernt und Mobile unlimited tut auch nicht, das heisst, ich muss teures Swisscom-WLAN zahlen. Oder lieber twittern?

Ich schaffe nur die Kategoriensieger.

Onlinemarketing:
Die Frau von Ueli Weber (web2com), Preissponsor, ist im Spital, daher muss Philipp Scheidegger ran. Gute Besserung!
Gewinner: laax.ch

Technology Quality:
Präsentiert von Daniel Liebherr, Jury-Vizepräsident (Ist Jürg Stuker auch krank?) in einen wirklich interessanten Schachbrettmuster-Pullover. Überreicht von Giancarlo Palmisani, Orbit-iEX.
Gewinner: www.iconomix.ch

Public Affairs:
Jurypräsident Dr. Reinhard Riedel, Presenter Dorian Selz – ohne Krawatte, aber noch beim Coiffeur gewesen.
Gewinner: www.iconomix.ch

Während Peter auf der Bühne ist, bloggt Angie weiter…

Usability:
Dani Forler kündigt unsere Kategorie als seine Lieblingskategorie an, juhuiii. Peter erklärt, dass dieses Jahr das Niveau grundsätzlich hoch war.

Bronze: Hausinfo, Keystone Bildportal
Silber: CMSbox, LeMenu (mit Verlaub: programmiert von Zeix!), oSkope visual search, Blick Online

Gewinner: kein Gewinner
Die Erklärung: Wichtige Usability und auch Accessibility Regeln wurden dieses Jahr missachtet, so dass Silber die höchste Auszeichnung bleibt.

Ehrenpreis:
Jürg Stuker – doch nicht krank – hält die Laudatio auf den Ehrenpreisträger David Nüscheler, Gründer von Day. Schon eine deutliche Verjüngung gegenüber letztem Jahr.

Jetzt Nachtessen.

Mist, kann mich nicht mehr mit meinem Swisscom-Account einloggen, das Limit ist aufgebraucht (nach 60 Minuten?), muss jetzt minutenbasiert.

Business Efficiency:
Jurypräsident Ralf Wölfle, Presenter irgendwer von Adobe, der einen langen Werbespot macht.
Gewinner: www.freitag.ch

Online & Mobile Campaigns:
Jurypräsident Michel Juhasz von Assai, Presenter Andreas Gedenk von Optimedia.
Gewinner: www.graubuenden.ch

Creation:
Jurypräsident Christian Erni von Futurecom, Presenter Johann Kurz von Microsoft Schweiz.
Christian Erni sieht immer verdächtig gesund aus, sagt aber, er war nur am Wochenende skifahren. Er sagt „Habemus Kategoriensieger!“ (sie hatten schon zweimal keinen) und meint, er hätte den „schwarzen Peter Hogenkamp“ an mich weitergegeben. So eine bodenlose Frechheit!
Johann Kurz (frisch zurück aus Las Vegas von der Mix 08, siehe der Live-Bericht von Blogwerk-Chefredaktor Peter Sennhauser bei medienkonvergenz.com) sagt noch was Nettes über Silverlight (Cross-Browser/Cross-Platform), hält sich aber angenehm – kurz (brüller!). Dani Fohrler steuert noch das Wissen von der 20-Minuten-Lektüre bei, dass Bill Gates nicht mehr der reichste Mann der Welt ist. Johann meint, Geld sei für Bill sowieso nur noch „nice to have“.
Gewinner: www.oSkope.com

Technology Innovation:
Juryvizepräsident Sascha Corti (auch Microsoft), Stellvertreter von Präsi Dieter Jäpel, Presenter Roland Eugster, Switch.
In der Schweiz sind mehr als eine Million Domains registriert, damit hat die Schweiz die grösste Domaindichte pro Einwohner weltweit.
Gewinner: www.tvprogramm.sf.tv
Marcel „Jabba“ Albertin von namics ist nicht nur ohne Krawatte, sondern auch ohne Sakko auf der Bühne. Vorhin hat IT-Ikone Fritz Sutter noch gesagt, er fände es toll, dass alle im Anzug da sein. Da hatte er wohl noch nicht genug Leute im grellen Scheinwerferlicht gesehen.

Es fehlt nur noch der Master of Swiss Web. Es werden die zehn Kandidaten präsentiert (Dani darf wieder selbst lesen, nicht eine anonymer Off-Sprecher):

1. 105tv.ch
2. CMSbox.ch
3. einzeltraining.ch
4. freitag.ch
5. iconomix.ch
6. laax.ch
7. Le Menu
8. oskope.com
9. remix.graubuenden.ch
10. tvprogramm.sf.tv

Showteil mit Fabian Unteregger. Der Christoph Mörgeli ist wirklich ungeschlagen.

Puh. Ich wurde von ihm auf die Bühne gerufen und musste in einem «Get a Mac»-Sketch den «PC Guy» spielen. An sich keine schlechte Idee, aber ich habe den Witz nicht verstanden. Ausserdem ist es mir etwas peinlich, dass ich insgesamt vier- oder fünfmal erwähnt wurde.

Ja nun. Zurück zur Sache.

Master-Sieger:
www.cmsbox.ch

Ein bisschen komisch, die hatte wohl niemand auf der Rechnung.

Am Ende werden noch aus den Publikumsstimmen die Gewinner gezogen. Der Hauptpreis ist ein MacBook Air. Ihn gewinnt irgendein Alexander.

Er macht den Fehler, sich auf der Bühne auf Hochdeutsch zu bedanken. Vereinzelte Buhrufe.

Finger weg von Ehrenämtern!

Habe mich bereit erklärt, für eine soziale St. Galler Institution ein Blog aufzusetzen (eigentlich eine normale Website mit ein bisschen News, aber auf WordPress – das kann ich halt einigermassen). Die Grafik haben sie gezahlt, zum Non-Profit-Tarif direkt an einen Grafiker, den ich vermittelt habe; den Rest mache ich gegen Gotteslohn.

Zu Beginn war die Frage aufgekommen, wer initial die Texte einpflegt. Habe gesagt, das kann ich schon machen, und dann mache ich eine Schulung mit zwei Leuten, wie man sie später ändert.

Habe ihnen also Word-Templates geschickt zum Erfassen der Texte.

Heute rief mich die „Projektleiterin“ an, ein Vorstandsmitglied der Organisation, und sagte, sie habe jetzt die Texte beisammen, es sei quasi eine Collage aus der Broschüre und aus verschiedenen anderen Dingen. OK.

„Ich wäre dir sehr dankbar, wenn ich dir das einfach so schicken kann.“ – „Ja, mach nur. Aber wieso nicht mailen?“ – „Es hat auch noch Fotos dabei.“ – „Ach so, und die sind dann auf CD?“ – „Ja, genau.“ – „Und die Word-Texte sind auch auf der CD? In verschiedenen Dateien oder in einer?“ – „Nein, die Texte sind ja eben einfach nur so zusammen gestellt. Wie gesagt, wir wären dir sehr dankbar, wenn wir das einfach so schicken könnten.“ – „Ja ja, aber was heisst denn das, nur so zusammen gestellt?“ – „Na ja, manches ist aus der Broschüre, und dann hat es auch ein paar handschriftliche Notizen dabei.“ (kurze entsetzte Pause, in der ich mich sammeln muss) „Die Texte sind – nicht elektronisch? Alle?“ – „Nein, eben wie eine Collage.“ – „Ähm. Also ehrlich gesagt, als ich sagte, ich mache das gern selbst, da dachte ich eigentlich nicht daran, dass ich die Texte zuerst abtippen müsse.“ – „Ja, wir haben halt alle keine Zeit.“ – „Na ja, also ich habe auch nicht eben viel Zeit, und ich sitze sowieso alles in allem zwei Tage, bis das ganze technisch läuft, also ehrlich gesagt, ich wäre sehr froh, wenn das jemand von Euch wenigstens abtippen könnte. Kann das nicht XY (die vollamtliche Leiterin, im Gegensatz zu den ehrenamtlichen Vorständen) machen?“ – „Nein, die hat auch keine Zeit. Weisst Du, wir haben eben alle wenig Zeit, und wir machen daher alle unsere Arbeit selbst, jeder für sich.“

Ich hab’s dann einfach aufgegeben und gesagt, ja dann schick halt. Wie soll man sonst auf einen gemeinsamen Nenner kommen?

Die folgende Diskussion, dass die Termine der Generalversammlung aber nicht in den öffentlichen Kalender dürften, sondern nur in einen passwortgeschützten, denn die gingen ja nur die Mitglieder etwas an, und den Exkurs, eigentlich hätten alle Angst, dass das ganze mit dem Internet sowieso viel zuviel zusätzliche Arbeit gäbe, gebe ich nicht im Detail wieder. Jedes Mal, wenn ich sanft dagegen halten wollte, hiess es: „Ja, du arbeitest halt jeden Tag damit, aber für uns ist das etwas anderes, wir empfinden das dann als Belastung, auch mental.“

Note to self: Das nächste Mal einfach die Fresse halten. Oder sowas: „Internet? Ja, habe ich auch schon mal gehört, dafür gibt es Firmen, glaube ich, die sowas machen; ich müsste auch im Telefonbuch nachschauen. Ich glaube, das solltest du am besten selbst machen.“