Krisenkommunikation: NZZ Online lahmt

NZZ Online hat grössere Probleme. Wir informieren behelfsmässig hier und bitten um Verständnis.

Update von 14.58 Uhr: Wir verschieben die Krisenkommunikation hierher: nzzonline.tumblr.com/

(Ich poste das hier in meinem privaten Blog, weil nzz.ch nicht immer aktualisiert werden kann und/oder nicht immer erreichbar ist. Ungewöhnliche Situationen erfordern ungewöhnliche Massnahmen.)

Gestern Mittag wurde ein neuer Software-Release auf NZZ Online eingespielt. Seit ca. 23 Uhr am Abend haben wir Probleme, die vermutlich damit zusammen hängen.

Hintergrund: NZZ Online besteht technisch aus zwei separaten Modulen: den «Backend-Servern» mit dem Redaktionssystem und den «Frontend-Servern», die die Website ausliefern. Dieser Setup stellt sicher, dass die Website auch erreichbar, wenn das Backend einmal abstürzt.

Seit heute morgen ist es durch Probleme im Backend unserer Online-Redaktion teilweise nicht möglich, die Website zu aktualisieren. Gleichzeitig bringen die Probleme im Backend zeitweise auf die Frontend-Server zum Absturz, so dass NZZ Online immer mal wieder gar nicht erreichbar ist. Die meiste Zeit ist aber die Website scheinbar in Ordnung, kann «nur» nicht aktualisiert werden (was natürlich sehr schlimm ist für eine Nachrichten-Site).

Nachdem alle anderen Massnahmen fehlgeschlagen sind, prüfen wir derzeit ein Wiederherstellen des Zustands vor der Installation gestern Mittag («Rollback»). Dadurch wird auch der inhaltliche Stand vorübergehend der von gestern Mittag sein, was wir allerdings schnellstmöglich wieder korrigieren werden.

Wir halten Sie hier dort: http://nzzonline.tumblr.com/ auf dem Laufenden. Danke für das Verständnis.

(Stand von 14.30 Uhr)

Olma 2008: «Die Waadt ist wieder Gastkanton»

Die NZZ setzt voraus, dass natürlich jeder weiss, wann die Waadt zuletzt Gastkanton war.

Seit gestern ist wieder «OLMA, Schweizer Messe für Landwirtschaft und Ernährung» (ursprünglich «Ostschweizerische Land- und Milchwirtschaftliche Ausstellung»).

NZZ Online schrieb: «Couchepin eröffnet die diesjährige Olma». Ein Stück weiter unten liest man: «Waadt ist wieder Gastkanton».

Ja, wie, wieder? Waren sie das vielleicht letztes Jahr auch schon? Ist der eigentlich vorgesehene Gastkanton vielleicht kurzfristig insolvent geworden, und die Waadtländer sind eingesprungen?

Nichts dergleichen: «Wieder» heisst: «zum zweiten Mal nach 1967».

Ein bisschen Erinnerungsvermögen setzt die NZZ halt voraus.

Kommentar-Elitarismus bei NZZ Online: 26% werden gelöscht

Letzte Woche habe ich bei der Internet-Briefing-Veranstaltung „User Generated Content – keine Angst vor dem Kunden“ über „Online-Kommentare – mehr als Leserbriefe 2.0“ gesprochen. Ich hatte vorher und nachher ziemlichen Stress wegen einer Art Autopanne, daher hatte ich keine Zeit, etwas darüber zu schreiben. Marcel Bernet hat das dankenswerterweise bei sich gemacht.

Mein Vortrag wäre für den geneigten Leser unserer Blogs nicht überraschend gewesen, weil ich nur erzählt habe, was wir jeden Tag machen, und dass das „Kommentarwesen“ einen zwar machmal schon etwas stresst, aber dass die Kommentare insgesamt einen grossen Mehrwert darstellen, der deutlich höher einzuschätzen ist als das bisschen Ärger (bitte mir diese Passage vorlegen, wenn es demnächst mal wieder so weit sein sollte).

Unsere Kommentar-Policy, die es nicht einmal schriftlich gibt, beruht auf der Maxime: Wir schauen mal, was passiert, und greifen nur ein, wenn es unbedingt nötig ist. Meine „Top-Kommentarkiller“ hat jeder Blogger oder Blogleser schon einmal erlebt: Registrationszwang, manuelles Freischalten, Real-Name-Zwang, Kommentare löschen oder nicht beantworten, Korrekturen nicht in Beitrag einarbeiten, überhebliche oder aggressive Antworten.

Direkt nach mir kam Urs Holderegger von NZZ Online und stellte vor, was sie in dieser Hinsicht machen, denn seit dem Relaunch vom Juli 2007 kann man auch bei der NZZ kommentieren. (Auch dazu hat Marcel Bernet inzwischen seine Notizen gepostet: „NZZ Online: Leser droht mit Kommentar?„)

Der beste Satz von Urs war der erste: „Wir machen eigentlich alles das, was Peter als ‚Kommentarkiller‘ bezeichnet hat.“ Wenigstens sind sie erfrischend ehrlich. Sie haben andere News-Sites und die Diskussionen dort analysiert und einen eigenen Ansatz entwickelt, zu dem sie nun auch stehen (auch wenn Urs später beim Rausgehen halb entschuldigend meinte, er habe „halt eine 228-jährige Tradition da drüben“, auf die er Rücksicht nehmen müsse).

Den Ansatz halte ich allerdings grösstenteils für falsch. In Kurzform kann man sagen, dass NZZ Online es geschafft hat, das klassische „Leserbriefmodell“ der Zeitung – Leser schreibt als Reaktion auf Artikel, Zeitung entscheidet, was „abgedruckt“ wird, eine Diskussion der Leser untereinander findet nicht statt – ins Web zu portieren. Das kann man so machen, nur hat das nach meinem Verständnis mit User Participation im Sinne von Web 2.0 nichts zu tun.

Die beeindruckendste Zahl: Von 13 500 eingegangenen Kommentaren wurden 3 500 (26%) nicht freigeschaltet. Die Ablehnungsgründe, über die wohl weitgehend Konsens besteht (Rassismus, Sexismus, Beleidigungen) machen davon nur „rund 10%“ aus, der Rest wird gelöscht wegen fehlender Qualität. Wer sich „nicht genug überlegt hat“ (!), kommt nicht rein, das gilt für die Inhalte wie für formale Schwächen wie Rechtschreibfehler.

Interessant fand ich die Bemerkung, dass sie mit ihrem CMS Kommentare nicht editieren können. Ich hatte vorher gesagt, dass wir manchmal – sehr selten – etwas aus einem Kommentar rauseditieren und z.B. schreiben: „(Hier wurde ein Satz wegen … gelöscht.)“ Das kann die NZZ nicht, weil ihr CMS es nicht unterstützt – „bei uns gibt es nur Daumen hoch oder runter“.

In meinem Teil hatte ich gesagt, dass die Kommentatoren in den Blogwerk-Blogs für einen deutlichen Mehrwert sorgen. „Die Diskussionen in unseren Kommentaren finde ich inhaltlich viel spannender als den durchschnittlichen Leserbrief“, war meine Aussage. (Ehrlich gesagt habe ich mich hier etwas aus dem Fenster gelehnt, weil ich die Leserbriefseiten in Zeitungen nur sehr selten lese. Dieses tendenziell oberlehrerhafte Rumnörgeln von Leuten, denen ein Artikel zu rechts oder zu links oder was auch immer ist, kann ich nicht aushalten.) Das fand Urs natürlich nicht. Er meinte im Gegenteil: „Wer einen Leserbrief an eine Zeitung schreibt, der hat sich meist etwas überlegt und gibt sich entsprechend Mühe. Von Kommentatoren kann man das nicht immer sagen.“

Das mag sogar stimmen. Aber ich bin ganz dezidiert der Meinung, man muss auch die weniger hilfreichen Kommentare in Kauf nehmen, um auch die Perlen zu bekommen. Was die NZZ-Online-Redaktion ihrer Arbeit zugrunde legt, ist eine fiktive Kommentar-Qualitätsskala, sagen wir von 1 bis 100, mit der sie jeden Kommentar bewerten, und ab, sagen wir, 40 Punkten wird freigeschaltet. Ich bezweifle aber sehr, dass einerseits die mit der Selektion beauftragten Redaktoren alle mit der gleichen Skala messen, und andererseits ist völlig klar, dass die individuelle Bewertung eines Kommentars pro Leser teilweise stark abweichen dürfte.

Um mir selbst mal wieder zu vergegenwärtigen, wie „unsere Kommentare“ eigentlich sind, habe ich soeben die letzte Diskussion bei neuerdings.com nachgelesen, die mehr als zehn Kommentare ausgelöst hat; das war zu meinem iPhone-Artikel vom Montag. Von bisher 16 eingegangenen Kommentaren sind vier off topic, indem sie sich auf andere Dinge als den Inhalt des Artikels beziehen (Blogdesign, Mehrwertsteuer, WordPress, Verlosung), einer ist weitgehend inhaltsfrei, einer ist redundant, sieben sind Antworten auf die anderen Kommentare – und zwei sind sehr gut, indem sie aktuelle, weiterführende Links enthalten. Für diese beiden muss man halt die anderen „ertragen“, aber ich finde die anderen „Diskussionsfäden“ keineswegs völlig nutzlos.

Wie hätte diese Diskussion bei NZZ Online ausgesehen? Wäre überhaupt ein einziger Kommentar durchgekommen? Wahrscheinlich nur die beiden, aber wer weiss, ob die überhaupt gekommen wären, wenn vorher dort „Kommentare: 0“ gestanden hätte.

Nee, nee, das wär nichts für mich. Ich will genauso kommentieren und diskutieren wie es hier zu sehen ist und nicht anders. Dieses manchmal polemische, aber oft selbstironische, oft geschwätzige, aber genauso oft unschlagbar präzise und aktuelle, zwar manchmal anonyme, aber fast immer persönlich Stellung beziehende und daher authentische (auch wenn ich das Wort hasse) macht eben genau den Reiz aus.

Wir führen manchmal die Diskussion, ob wir überhaupt „echte Blogger“ seien oder eher ein Online-Verlag, und je nach Tagesform sind wir unterschiedlicher Meinung. Aber an dieser Stelle denke ich wieder, nein, wir sind eben doch waschechte Blogger.

Vielleicht in diesem Kontext ganz interessant ist ein Artikel über Kommentar-Usability, den wir (Zeix) im Oktober für die Netzwoche geschrieben haben: «Leserbriefe schreiben doch nur Rentner und Nörgler».)