Neulich in Zürich-Wipkingen, kurz nach Mittag. Ich bin gerade am Wäschewaschen und eher spärlich bekleidet. Es läutet an der Haustür.
Ich drücke den Öffner und springe erst danach schnell in eine Jeans und ein T-Shirt. Das geht locker, weil ich im vierten Stock wohne. Ungewohnterweise ruft niemand von unten, was er will (so wie «Paketposcht!», was im Klartext bedeutet: «Ich leg das Zeug hier auf die Treppe und haue ab!»), sondern jemand stapft wortlos die vier Stockwerke hoch, bis er direkt vor meiner Nase steht und mir seinen Ausweis zeigt.
Der Herr ist von der Billag, «Schweizerische Erhebungsstelle für Radio- und Fernsehempfangsgebühren», Pendant zur deutschen GEZ, entsprechend ähnlich beliebt. Die Identifikation in letzter Sekunde hat vermutlich Methode: Sicher haben sich schon Leute verbarrikadiert, um schnell den Fernseher zu verstecken. Was in Zeiten von 40-Zoll-LED-Ungetümen auch weniger einfach sein dürfte als früher. Aber das soll nicht meine Sorge sein.
«Und…», fragt er etwas langgezogen, sicher auch taktisch, «…gerade erst eingezogen?» Reflexartig bleibe ich erstmal vage: «So nach und nach eben.» (Zu dem Zeitpunkt hatte ich parallel noch meine Wohnung in Erlenbach, deren Kündigungstermin ich wegen kurzfristiger Verfügbarkeit der neuen Wohnung leider verpasst hatte. Sowas passiert in der Schweiz wegen der fixen «Zügeltermine» gern mal.)
Erst nach dieser Schrecksekunde des schlechten Gewissens per Default fällt mir ein, dass ich ja gar nichts zu verbergen habe: «Billag? Zahle ich an meiner alten Adresse in Erlenbach.»
Er schaut etwas ungläubig: «Ah ja? Wie ist denn die Adresse?» Er klappt sein Windows-Tablet mit einer Liste auf. Die App sieht alles andere als mobile-optimiert aus. Er hat mit mir noch etwa fünf «Leads» für heute offen.
«Zollerstrasse 22, 8703 Erlenbach.»
Er holt sein Samsung-Handy raus und wiederholt die letztgewählte Nummer. Offenbar telefoniert er oft mit dem Kollegen im Innendienst und fragt grusslos: «Kannst Du mal schauen, Hogenkamp, 8703, Zollerstrasse?»
Der Kollege am anderen Ende sucht. Und findet mich.
Mein Besucher wiederholt: «Genau: Hogenkamp. Peter.» Und weiter, stutzend: «Doktor?»
Und schaut, das Handy am Ohr, von meinen nackten Füssen hoch bis zu meinem ungewaschenen Gesicht, und wieder runter zu den nackten Füssen.
«Genau», sage ich. «Sieht man nicht, weiss ich. Stimmt aber.»
Der Kontrolleur murmelt etwas von: «Ist ja auch gut, dass man sowas nicht sieht», bittet seinen Kollegen, meine Adresse zu migrieren, klickt einen Erledigt-Button in seiner App, mein Lead verschwindet, er klappt das Tablet zu. «Danke, auf Wiedersehen.» Die ganze Szene hat vielleicht zwei Minuten gedauert.
Treppab, und weiter geht’s zu den anderen fünf.
Leider konnte ich keinen Namen lesen, sonst würde ich sie schnell bei Facebook suchen und ihnen raten, Socken anzuziehen. Macht einfach einen besseren Eindruck, falls mal überraschend einer vor der Tür steht, ganz egal, welche Ausbildung man hat. Würde meine Mutter auch sagen.
lustige Geschichte. Es ist aber ja schon erstaunlich, woher der Billag-Kontrolleur die exakten Daten her hatte. Schliesslich hat er genau gewusst, zu welcher Wohnung er möchte.
Woher die Billag diese Daten herkriegt wäre ja schon mal interessant. Gemeinde?Post?Vermieter?Kabelanbieter?
Ach, Peter, mehr von diesen köstlichen Anekdoten. Ich laufe ab sofort nur noch im Anzug und Krawatte in meiner Wohnung rum. you never know
Unglaublich, da kassieren die Heinis völlig unberechtigt, ja gegen unsere Verfassung 1,6 Milliarden (man kann niemanden zwingen etwas kaufen zu müssen – schon gar nicht wenn er es gar nicht braucht bzw. nutzt) und dann gehen sie auch noch denen auf die Nerven die sich der Ungerechtigkeit nicht beugen wollen indem sie solche Kontrollen machen. Mafiamethoden!
Hans: Von der Swisscom, nehme ich an. Hatte dort einige Wochen vorher Glasfaser bestellt, als Neu-Abo, also ohne Umzug von anderswo.
Thom: Ihr Kommentar ist der geilste.
Herr Peter Hogenkamp:
Wenn ich jedesmal einen Bericht über „meine Kunden“ veröffentlichen, und zu meinen Gunsten das Volk hinter mich scharen könnte,wäre es mir möglich täglich irgendwelche Geschichten zu publizieren (manchmal bereue ich das nicht tun zu dürfen).Da sind solche „Kommentare“ wie der von Thom täglich dabei. Man kann daher kommen wie man will, viele haben sich einfach auf die Billag-Kontrolleure eingeschossen.
Wir melden in der Schweiz jährlich 40`000 Leute nur bei Hausbesuchen an.Solche Maulhelden wie Thom, der nicht will, ist unser täglich Brot.
Nein wir haben keine Daten von Swisscom. Es gibt noch so etwas wie Datenschutz. Oder geben sie etwa Daten von Patienten heraus?
Es grüsst Sie freundlich
Ihr Fieldagent Billag
Ps.Zu meinem Schutz publiziere ich meinen Namen nicht, sie können ihn aber gerne bei Billag direkt anfragen
Lieber Herr «Field Agent»; finde es sehr toll, dass Sie sich melden. Wirklich.
Das habe ich im Artikel nicht erwähnt, wäre sonst auf Kosten der guten Geschichte gegangen: Ich habe überhaupt nichts gegen den Gedanken eines «Service Public».
Man könnte sich darüber streiten, ob CHF 462.40 der angemessene Betrag ist, aber ich würde nie darüber streiten, dass es gut ist, wenn man sich ein gebührenfinanziertes Fernsehen leistet, in dem nicht nur Mist läuft. Daher zahle ich mit Überzeugung, auch wenn ich nur gefühlt einmal im Monat SRF schaue, und ich kann sogar gut damit leben, dass ich ein paar Rätoromanen quersubventioniere. So funktioniert nun mal Gemeinwesen. Ich zahle auch im Wallis über den Finanzausgleich manche Strassen mit, auf denen ich noch nie gefahren bin. Ein Fragezeichen mache ich lediglich, ob man die Gebühr nicht einfach mit den Steuern erheben sollte. Aber Field Agents werden immer gebraucht, auch anderswo.
Das Anti-Billag-Bashing hat teilweise etwas hysterisches, und vor allem ist bei einigen Politikerinnen die dahinter liegende Motivation sehr durchschaubar.
Sprich: Alles easy. War mehr wegen der Socken als wegen der Gebühren eine zu gute Geschichte, um sie nicht aufzuschreiben. Und dass ich die Story veröffentlichen konnte, Sie Ihre besten aber nicht, ist natürlich ein Privileg. Ging mir aber in meinem letzten Job genauso…
Und was den Datenschutz angeht: Irgendwoher müssen die Leads ja kommen. Ist mir aber auch egal, ich bin auch da nicht fanatisch.
Ich bin übrigens kein Arzt, sondern leider nur Dr. der Wirtschaftswissenschaften.
Gruss und – ironiefrei – weiterhin viel Freude am Beruf!
Ob der Herr „Field-Agent“ hier wirklich im Namen seines Arbeitgebers antworten darf. Schliesslich gibt sich die BILLAG als verschworener Geheimbund, der krampfhaft versucht seine obsolete Existenz zu rechtfertigen.
Es tut mir ja leid für den Herrn Field-Agent aber ich bin gleicher Meinung wie Herr Hogenkamp: Die Gebühren kann der Staat über die Steuern selber erheben. Warum auch nicht? Der Staat kennt alle Adressen, er stellt jetzt schon Rechnung für Bundessteuern, Staats-und Gemeindesteuern, ja sogar Kirchensteuer wird erhoben.
Es ist doch die einzig logische Konsequenz, dass auf diesem Wege auch die Gebühren für TV/Radio erhoben werden sollte.
Es gibt keinen wirtschaftlich nachvollziehbaren Grund, warum eine private Firma diese Gebühren eintreiben muss.
Das die auf der Lohnliste stehenden Personen bei der BILLAG dies nicht gut finden kann nachvollzogen werden aber „wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit“.
Die Kosten für den Apparat BILLAG sind einfach nicht nötig.
@ Hans: Der Staat soll seine Steuern selber erheben. Das Schweizer Radio und Fernsehen SRF ist aber nicht «der Staat», sondern eine öffentlich-rechtliche Institution, in der jeder Bürger Mitglied werden und mitbestimmen kann.
Wer schon mal in Staaten mit staatlichen Medien gearbeitet und gelebt hat, weiss diesen Unterschied zu schätzen.
Hatte heute auch einen angeblichen Billg Mitarbeiter in der Wohnung. Ich bat ihn rein, bot ihm einen Platz zum sitzen. Er schien erstaunt. Er fragt nach Nachnamen Vornamen und Handynummer. Ob ich umgezogen sei. Ich gebe gerne Auskunft. Im Hinterkopf weiss ich, dass jährliche Billag Rechnungen kamen und bezahlt wurden. Weiß natürlich nicht, wann zum letzten Mal und ob das nicht über direkten Einzug geht. Das müsste ich doch noch in den Bankunterlagen nachschauen können. So spontan aus dem Kopf geht das doch nicht . Er füllt sein Tablett aus und will dann von mir eine Blanko Unterschrift drauf. Ich weiss aber nicht, was ich dabei unterschreibe und sage ihm, das möchte ich nicht, ich sei gegen Blankounterschriften, besonders auf Tablets. Sonst steht nachher ganz viel drin, das ich nie gesagt habe. Verstehe nicht, warum sie mir nicht einen Brief schreiben und höflich fragen, wann die Gebühren bezahlt wurden. Dann kann ich dies abklären. So hab ich keine Chance gegen diese unausgesprochene Unterstellung. Weiss nicht mal, dass der effektive Grund seines Besuchs ist. Der Mitarbeiter wird wütend, aggressive Körpersprache und droht mit Anzeige, weil ich nicht auf seinem Tablett unterschreibe. Ich bitte ihn um etwas schrftliches, damit dich die Sache abklären kann. Und bitte ihn um etwas Höflichkeit. Er verhalte sich ja wie ein VBZ Kontrolleur, latente Aggression. Da droht er sogar mit der Polizei. Ich müsste seinen Job nicht kritisieren. Die Billag mache nur 5% Kosten. Allerdings interessiert mich das überhaupt nicht. Ich sage ihm, dann holen wir halt die Polizei, das ist dann kein Thema mehr. Frage mich langsam, ob dieser unhöfliche Mensch wirklich von der Billg ist oder irgend ein Gangster, der so in die Wohnung rein kommt. Es wird mir mulmig. Ich bitte ihn zu gehen. Er weigert sich zunächst, echt unangenehm. Werde nächste Woche bei der Billg vorsprechen und mich beschweren, nützen wird das nichts. Ich habe nichts gegen die Gebühren, aber gewisse Vorbehalte gegen diese Billag. und ihre eigenartigen Methoden. Jetzt natürlich erst recht. Ein Zettel im Briefkasten hätte gereicht oder eine telefonische oder schriftliche Anfrage. Habe ja wirklich nichts zu verbergen. Aber so ein arroganter Privatpolizist in der Wohnung ist echt widerlich.
Guter Beitrag. Habe gerade mit einem völlig verunsicherten Nachbarn ( Ausländer ) gesprochen, der heute von einem Billag – Mitarbeiter ( wenns den wirklich einer war ) besucht wurde und seltsame Fragen beantworten musste. — Eigenartige Praktiken !