Staunen Sie, was passieren wird (Kolumne in KressPro)
„Internes Instant Messaging? Brauchen wir nicht!“ Das haben über E-Mail auch erst alle gesagt. Aber jetzt ist die Zeit reif für „Slack“ – und zwar nicht nur, weil Sie dann cool sind.
Der Star des Jahres im Silicon Valley heißt Slack, gegründet vom Kanadier Stewart Butterfield, der nach dem Fotosharing-Dienst Flickr zum zweiten Mal mit einem Nebenprojekt ganz groß rauskommt. Auf den ersten Blick ist Slack ein simples Chat-Tool für interne Kommunikation, wie es schon viele davor gab. Auf den zweiten Blick zeigt es seine enorme Wucht: Der E-Mail-Killer, von dem seit 20 Jahren alle reden, ist jetzt da. Ich übertreibe nicht: Seit dem vergangenen Herbst nutze ich intern in mehreren Organisationen Slack, und wir versenden seitdem keine internen E-Mails mehr. Null. Sieben Gründe für Slack und Co.:
1. Sie denken, Ihre Mitarbeiter nutzen brav nur E-Mail? Denkste!
Ihre Leute haben sich untereinander längst für Direktnachrichten vernetzt via: SMS, iMessage, WhatsApp, Facebook Messenger, Skype. Das ist erstens unproduktiv, weil jeder woanders kommuniziert, und zweitens ein Alptraum aus Compliance-Sicht. Stewart Butterfield erzählte neulich in einer Podiumsdiskussion in Austin, er habe eine große Kanzlei als Kunden gewonnen, indem er dem CEO sagte: „Wenn Ihr intern SMS als Kanal nutzt und mal einen Rechtsstreit habt, bei dem die Kommunikation eingesehen wird, schauen fremde Junior-Anwälte deine privaten Nachrichten an.“ Der Kunde habe sofort unterschrieben.
2. Slack ist Spam-frei
Slack ist nur für die interne Kommunikation, jeder Teilnehmer braucht ein Konto. Was zunächst wie ein Nachteil aussieht, ist ein Vorteil: Alle sind bekannt, niemand kann einen vollmüllen mit Sales- oder Spam-E-Mails.
3. Cut the crap!
E-Mails, die mit „Sehr geehrte Damen und Herren“ beginnen, dann in mehreren Sätzen die Lage schildern, bevor der Autor zu seiner kurzen Frage kommt, um mit „Beste Grüße und ein schönes Wochenende“ zu enden, sind ein Relikt aus der Brie ultur. Manche mögen es als Verrohung der Sitten verteufeln, aber die Essenz „Kann der Text so raus? (Link)“ sollte eigentlich intern reichen.
4. Flexible Gruppen
Slack-Gruppen können Themen oder Organisationseinheiten folgen. Gleichzeitig ist aber auch in Sekunden ein virtuelles Team zur kurzen und knackigen Diskussion einer Sachfrage formiert. Ist diese gelöst, wird die Konversation archiviert, kann aber jederzeit reaktiviert oder durchsucht werden. Slack unterstützt damit, wie Firmen in Zukunft funktionieren sollten: als Ansammlung von Ad-hoc-Teams.
5. Slack ist offen und wird immer intelligenter
Seit Jahrzehnten werden uns Management Information Systems versprochen, die Unternehmensdaten aggregiert und zugleich detailliert zur Verfügung stellen. Der monolithische Ansatz von SAP und Co. ist jedoch in den meisten Unternehmen gescheitert, man bekommt die Daten nur schlecht wieder aus dem System heraus. In Austin zitierte Butterfield eine Studie, wonach Firmen bis zu 20 Prozent der Arbeitszeit aufwenden, um intern vorhandene Informationen wieder aufzufinden. Die Internet-Apps der letzten Jahre setzen dagegen auf das Konzept „Small pieces loosely joined“: Spezialisierte Systeme können vor allem eine Sache gut – zum Beispiel Umfragen, Zeiterfassung, Spesenabrechnung – und sind über Programmierschnittstellen miteinander verbunden. Und Slack kann als universelle Abfrageschnittstelle an viele Systeme andocken. Laut Butterfield wird es die Frage „Wie hoch waren meine Spesen im Januar?“ bald beantworten können. Das klingt wie Zukunftsmusik, aber Slacks „App Store“ umfasst bereits Hunderte von Integrationen.
6. Es ist Slack – und nicht Skype for Business
Wer denkt, Skype mache ja eigentlich genau das Gleiche wie Slack, sollte noch mal überlegen. Einer ist übrigens Bill Gates, der sich o enbar in den vergangenen Jahren zu viel mit Malaria beschäftigt hat und zu wenig mit Convenience, denn er persönlich hat laut Techcrunch verhindert, dass Microsoft Slack für acht Milliarden kauft, weil er findet, man könne ja Skype ausbauen. Slack und Skype könnten nicht unterschiedlicher sein, nicht zuletzt aufgrund des enormen Drives, mit dem das Slack-Team bei der Sache ist und im Wochentakt neue Innovationen bringt. Der einzig ernst zu nehmende Slack-Konkurrent wäre für mich übrigens der Facebook Messenger, den Mark Zuckerberg sich ganz oben auf die Agenda geschrieben hat – allerdings bisher nicht für den Einsatz in Firmen.
7. Heute sind Sie noch vorn
Ich bin überzeugt: Instant Messaging als Enterprise-Anwendung kommt so oder so. Aber es ist einfach cooler, wenn man Early Adopter als Late Adopter ist.
MEIN TIPP: Geben Sie nicht Ihrer IT-Abteilung den Auftrag herauszufinden, ob es einen Bedarf gibt, denn deren Antwort kennen wir bereits. Suchen Sie sich ein kleines Team von 15 bis 50 Personen in Ihrer Firma, stellen Sie es denen einfach hin – und staunen Sie, was passieren wird!
Peter Hogenkamp ist CEO der Scope Content AG, die die Plattform «Scope» für handkuratierte Nachrichten zu Fachthemen mit derzeit 70 Channels betreibt.
Aus: KressPro 4/2016