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Frage: «Wann werden Elektroautos alltäglich sein?»

Autor der englischen Original-Antwort: Jeffrey Blaisdell («über 100.000 Meilen in verschiedenen Elektroautos gefahren»). Beantwortet am 21. März 2019.

Ende 2017 machten Elektrofahrzeuge kaum mehr als 1% der verkauften Neuwagen aus und wurden von den meisten Menschen als eine interessante, aber noch nicht in der Praxis bestätigte Idee angesehen, sondern vielmehr als das Spielzeug für Reiche oder Idealisten, als das man sie seit der Einführung des winzigen Tesla Roadsters im Jahr 2008 zum Preis von über 100’000 Dollar wahrgenommen hatte.

Ende 2018 machten Elektrofahrzeuge nur 2% der verkauften Neuwagen aus und wurden von den meisten Menschen als interessantes, aber immer noch weit entferntes Phänomen angesehen, noch nicht bereit für den breiten Einsatz.

Ende 2019 werden Elektrofahrzeuge auf Basis der aktuellen Wachstumsraten und Prognosen 3,6% der verkauften Neuwagen ausmachen (der Artikel ist von März, bevor das Tesla Model 3 in Europa ausgeliefert wurde; inzwischen könnte es etwas mehr werden, Anm. pho) und von den meisten weiterhin als zwar interessante, aber letztlich immer noch nicht überzeugende Idee angesehen.

Ende 2020, wenn der Trend anhält, wird ein Marktanteil von 6.5% einige Leute nachdenklich machen, indem Tesla rund eine Million Autos pro Jahr ausliefert, davon das Model 3 und das Model Y (etwas grössere und höhere Variante des kleinen Tesla Model 3, soll Ende 2020 eingeführt werden, Anm. pho) zu normalen Neuwagenpreisen. Den beliebten kleinen Crossovers (kompakte SUV-Modelle) werden durch überlegene Leistung und erhebliche Betriebskosteneinsparungen Marktanteile genommen; zudem werden bis dahin zahlreiche Nachahmer auf dem Markt sein.

Im Jahr 2021, einfach nur indem wir das Wachstum von 80% pro Jahr fortschreiben, das nun bereits seit einigen Jahren anhält, sind wir schon bei fast 12% der Neuwagen. Nun lässt es sich von niemandem mehr verleugnen.

2022? 21%.

2023? 38%.

Mitte 2024, in nur fünf Jahren, wird die Marke von 50% durchbrochen. Zu diesem Zeitpunkt wird erwartet, dass Elektroautos durch kontinuierliche Verbesserungen in der Batteriechemie und im Produktionsprozess in der Anschaffung gleich teuer sind wie Verbrenner, was ihren ohnehin schon überzeugenden Betriebskostenvorteil noch verstärken wird. Zu diesem Zeitpunkt wird niemand mehr eine Kaufentscheidung für einen Neuwagen treffen, ohne ein Elektroauto in Betracht zu ziehen. Das Argument der «Reichweitenangst» ist verschwunden, das Kostenargument ebenso, Haltbarkeit und Langlebigkeit sind durch 15 Jahre Verbraucherdaten belegt, die Ladeinfrastruktur ist schnell und allgegenwärtig. Nur wer über die gesamte Lebensdauer seines Fahrzeugs 20’000 Dollar mehr zahlen will, um «WRUMM» zu hören – um dann de facto länger zu brauchen, um tatsächlich zu beschleunigen – hat noch einen Grund, einen Verbrenner zu kaufen.

2025 zeigt sich das, was einige Jahre lang wie ein exponentielles Wachstum aussah, als eine logistische Kurve, wie es im echten Leben fast immer der Fall ist. Die Wachstumsrate sinkt mit zunehmender Sättigung des Marktes und stagniert irgendwo zwischen 80% und 90% der Neuwagen, denn einige Nischenmärkte erweisen sich als resistent gegen vollständige Umstellung auf Elektro – etwa Fahrzeuge mit langen Nutzungszyklen, insbesondere in Gebieten mit knappen Lademöglichkeiten. Andererseits ist der Kostenanreiz bei intensiver Nutzung am stärksten, so dass bessere Lösungen hohe Einsparungen ermöglichen würden. Deshalb geben Verkehrsunternehmen bereits heute (2019) eine halbe Million Dollar mehr für einen Elektrobus aus, der jährlich 50.000 Dollar oder mehr an Kraftstoff und Wartung einspart. Und daher werden wohl auch exotische Einsatzzwecke weitgehend auf Elektroantrieb umgestellt, sobald die Fahrzeuge selbst billiger werden als die Alternative.

2030 sind Verbrennungsmotoren aufgrund des gesunkenen Absatzvolumens und entsprechend höherer Stückkosten für viele Nischen, auch für Lkw und Transporter, vielfach nicht mehr verfügbar. Mit zunehmendem Alter der letzten Generation von Verbrennern übt die sinkende Nachfrage nach Benzin und Diesel einen zusätzlichen Kostendruck auf Produktion und Vertrieb aus, und Tankstellen werden immer seltener, da die Aufladung zuhause zur Hauptenergiequelle geworden ist.

Ab 2035-2040 gelten Autos mit Verbrennungsmotor weitgehend als Spielzeug für Reiche.

Abschliessender Kommentar von Jeffrey Blaisdell: Nur der Tagtraum eines einzelnen, aber die aktuellen Daten unterstützen die Thesen. Ich bestehe nicht darauf, dass man alle Zahlen allein anhand der bisherigen Daten hochrechnen kann, aber wenn man sich die auf den Markt kommenden Modelle und die Investitionen in Forschung und Entwicklung im Elektrobereich ansieht, kann es durchaus so passieren.

Elektro kommt langsam, aber gewaltig (oder: Amara’s Law, Ausgabe 2018)

Die Schweizer Verkaufszahlen für Elektro-Autos für 2018 finden manche enttäuschend. Abwarten. Amara’s Law wird zuschlagen.

Letztes Wochenende (ich habe diesen Post ein paar Tage liegen gelassen, weil ich noch auf detailliertere Statistiken hoffte, die aber bisher nicht kamen) machten die Auto-Zulassungszahlen von 2018 die Runde, und sie lassen sich in der Schweiz wie in Deutschland rasch zusammenfassen:

  • Elektroautos sind im Kommen, aber langsam. Der Zuwachs im Vergleich zum Vorjahr ist zwar hoch, aber die absoluten Zahlen sind immer noch gering.
  • In Deutschland: Zuwachs um 44% auf nunmehr ca. 1% der gesamten Neuzulassungen.
  • Für die Schweiz habe ich bisher nur die Zahl 7.2% für alle alternativen Antriebe, Elektro-, Gas- und Wasserstoff-Antriebe sowie diverse Hybrid-Varianten gesehen, die wenig aussagekräftig ist, aber die Zahl der reinen E-Autos folgt bestimmt noch.
  • Fest steht: Der grosse Durchbruch, den manche erhoffen / erwarten / befürchten ist doch nicht da; von norwegischen Verhältnissen (50% der Neuzulassungen elektrisch) sind beide Länder noch weit entfernt.

Diese Zahlen kann man natürlich unterschiedlich interpretieren, und schon die Überschriften der Medien liefern viel Meinung mit, wiederum sowohl in der Schweiz (Tagi: «4×4-Wagen boomen – Elektroautos nicht», oder ganz anders beim Blick: «4×4 und Öko topp, Diesel Flop»), wie auch in Deutschland, wo die meisten Medien auf den insgesamt rückläufigen Markt fokussieren, manche aber auch auf den E-Aspekt, wie die Wirtschaftswoche: «2019 wird das Jahr des Tesla – danach kommt die Wende» oder heise.de: «Elektroautos: 68.000 Neuzulassungen in Deutschland».

(Was ich in den Schweizer Artikeln nicht so ganz verstehe, ist der konstruierte Gegensatz 4×4 versus Elektro. Das eine hat mit dem anderen erstmal nichts zu tun. Mein Auto ist inzwischen auch beides. Und die Schweiz war doch immer schon ein Allradland, da ist es einfach noch ein klein wenig hochgegangen von 47,5 auf 49,1 Prozent – natürlich ist das ein Boom, aber einer, der schon recht lange läuft.)

Wenn man die Kommentare liest, die die Debatte um die Elektrifizierung der Automobilflotte seit Jahren begleiten («enttäuschendes Wachstum», «Ziele in weite Ferne gerückt» etc. etc.), ist es wichtig, dass man einmal mehr Amara’s Law hervorholt, das ich schon seit so vielen Jahren immer wieder predige, dass es mich manchmal selbst langweilt – aber es hilft nichts, man muss es immer wieder zitieren:

We tend to overestimate the effect of a technology in the short run and underestimate the effect in the long run.

Roy Amara, 1925-2007, Wikipedia.

In den rund 25 Jahren, seit ich Innovationen einigermassen bewusst miterlebe, habe ich diese Zyklen schon diverse Male gesehen: Durchsetzung des Internets (Unterthema: eCommerce), der Smartphones (Unterthema: mobiles Internet), des Musikkonsums (erst Download/iTunes, dann Streaming/Spotify) und so weiter und so fort. Immer ist man zuerst euphorisch, dann enttäuscht, und dann geht es richtig ab. (Den ganzen Verlauf bildet dann der Hype-Zyklus ab.)

Vor zwei Jahren habe ich am Aufhänger Smartwatches darüber meine Kolumne bei KressPro geschrieben, leider nicht mehr online, daher hier als PDF: «Ein Milliarden-Gesetz».

Einschub: Naturgemäss sind zu jedem Zeitpunkt verschiedene Technologien in ganz verschiedenen Phasen. Bei den Smartwatches sind wir noch unterwegs auf dem Sprung zum Massenmarkt. Meine eigene Hypothese zu Smartwatches (u.a. hier dokumentiert) ist, dass diese endgültig den Durchbruch schaffen, sobald sie – anders als die ersten vier Generationen der Apple Watch – kaum noch von klassischen, auch mechanischen Uhren zu unterscheiden sind. Wer will, kann sich seine Smartwatch so einstellen, dass sie aussieht wie ein Chronometer, aber natürlich einer mit Schrittzähler, Pulsmesser, Push-Funktion für dringende Nachrichten etc. Ausser für Hardcore-Liebhaber und -Sammler, die es natürlich immer geben wird, wird es dann für viele Leute einfach nicht mehr sinnvoll sein, sich eine Uhr kaufen, die diese Features eben nicht hat. Wer sich die aktuellen Modelle von Samsung oder Huawei anschaut, die Swisscom zu Weihnachten in der Schweiz überall plakatiert hatte, weiss, wohin die Reise geht, übrigens auch preislich. Die Apple Watch hat Amaras Gesetz inzwischen schon recht weit durchlaufen; natürlich begonnen dem Klassiker von vor vier Jahren: «Die Apple Watch enttäuscht die Alpha-Nerds».

Läuft der Prozess also immer gleich ab, auch heute bei den Elektroautos? Natürlich nicht. Der viel strapazierte Vergleich von Tesla mit dem iPhone (u.a. «Can Germany survive the ‘iPhone moment’ for cars?», bester Artikel zum Thema: «Tesla, software and disruption») ist zwar nicht ganz unberechtigt, aber man muss sich nur Anschaffungspreise, durchschnittliche Lebensdauer oder auch die definierenden Features eines Autos wie die Reichweite anschauen, um zu merken, dass Autos etwas ganz anderes sind als Telefone oder Uhren.

Eine Besonderheit am Thema Elektromobilität in der derzeitigen Phase ist, dass Tesla derzeit noch so eine grosse Rolle in der Nische der Elektroautos spielt, dass allein die Auslieferungen der bereits bestellten Model 3 in Europa die Statistiken hätten drastisch nach oben ziehen können. Hätte Tesla Mitte 2018 begonnen, auch nach Europa zu liefern statt nur in die USA (was sicher kaufmännisch weniger sinnvoll gewesen wäre als die gewählte Variante: West nach Ost), würden wir heute über ganz andere Zahlen reden, nicht nur für Tesla selbst, sondern für das ganze Segment. Für die gesamte Entwicklung spielt das keine Rolle, denn das Kalenderjahr ist natürlich eine willkürliche Festlegung, und nun schwappt die Welle halt im nächsten Frühling nach Europa und somit in die Statistiken 2019.

Ich bin daher recht sicher, dass der Wind bald drehen wird, einerseits in Form der medialen und öffentlichen Meinung, die ja immer eine gewisse Bremsspur hat – ich lese zum Beispiel immer noch jeden Tag irgendwo, wieviel Geld Tesla doch verliere, dabei hat das vor drei Monaten dramatisch gedreht. Ausserdem werden die Menschen zunehmend viele eAutos sowohl an der Ampel neben sich wie auch in ihrem Freundeskreis sehen, nicht nur von Tesla, sondern demnächst auch von anderen Herstellern. Elektro wird rasch seinen Nimbus als etwas für reiche Freaks verlieren (stimmte eh beides nicht), was wie bei jeder Innovation entlang der Diffusionskurve einen sich selbst verstärkenden Prozesses befeuert, der natürlich auch allen anderen Herstellern helfen wird, ihre neuen eMobile zu verkaufen.

Hier wird sich bei Autos eine Parallele den oben erwähnten Smartwatches, wie auch zu jedem anderen Amara-Verlauf, ergeben: In nicht allzu ferner Zukunft wird einfach der «Default» elektrisch sein, und nur wer ausgesprochener Fan von brummenden Motoren ist, kauft noch Verbrenner. Sascha Lobo hat das vor einem Jahr in seiner SpOn-Kolumne schön beschrieben am Beispiel Voice/Amazon Alexa:

Bei der Verbreitung von Technologie gibt es ein wiederkehrendes Muster, ich bezeichne es als „progress of no return“, Fortschritt ohne Wiederkehr: Durchschnittsnutzer spüren, dass sie nicht mehr hinter diesen Standard zurückfallen wollen. Vorherige Anwendungen erscheinen überholt.

Bequemlichkeit schlägt alles, sogar deutsche Bedenken

2019 wird vermutlich das letzte Jahr sein, in dem das Agieren und der Erfolg von Tesla allein die Zahlen des gesamten Segments entscheidend prägen; unabhängig davon, wie sich die Firma weiter entwickelt. Ich vermute, sie werden die Marktführerschaft in einigen Jahren abgeben, aber als Taktgeber noch lange relevant sein. Auch da passt der Vergleich zum Smartphone derzeit noch.

Deswegen finde ich es richtig, dass Auto Schweiz im eingangs erwähnten Tagi-Artikel an seinem Branchenziel «10/20» festhält: 10% der Neuzulassungen im Jahr 2020 sollen Elektroautos sein (oder Plug-in-Hybrid, wobei ich denke, dass diese sich nie in der Breite durchsetzen werden, weil es nicht sinnvoll ist, mit zwei Speichern rumzufahren).

Auch richtig ist die Aussage von GLP-Chef Jürg Grossen als Präsident des Verbands Swiss E-Mobility:

Die «zaghafte» Entwicklung erklärt sich Grossen mit den mangelnden Kenntnissen der Käuferschaft zu den Vorteilen von Elektroautos und mit dem Widerstand der «Verbrennerlobby, welche keine Gelegenheit auslässt, die Neuentwicklung schlechtzureden».

Das stimmt beides, aber die Taktik des Schlechtredens ist sehr endlich, darüber müssen wir gar nicht mehr gross lamentieren. Die Verbrennerlobby redet ja auch nur noch vorn schlecht, hinten werkelt sie hektisch an der Elektro-Pipeline. Die Menschen hören nur so lange auf die mediale Meinung, bis sie genügend Stimmen in ihrer Peer Group beisammen haben, und da wird die kritische Masse irgendwann erreicht sein.

Nochmal zurück zu Tesla. Die Verkaufszahlen für das letzte Quartal 2018 liegen vor, aber noch nicht die Quartalsergebnisse. Die Entwicklung der Absatzzahlen von 2012 bis heute nach Quartal sind eindrücklich:

Dazu der Satz aus dem Artikel, der gleichermassen gut für Vorträge über Innovation oder zum Apéro-Smalltalk taugt:

In the final weeks of 2018, Tesla sold its 500,000th car. That milestone took 10 years to achieve. The next half-million car deliveries will take about 15 months, if the company maintains its current pace (…).

Tesla’s Life After Hell: 7 Charts Show Musk on Firmer Footing

Der Bloomberg-Artikel enthält, wie der Titel schon sagt, sieben Grafiken, und man sollte ihn unbedingt bis zum Abschnitt über die Batteriekosten lesen, der aus meiner Sicht einmal mehr den Weitblick von Elon Musk zeigt, als er entschied, auch Batterien selbst zu bauen.

Vertiefen wir jetzt nicht. Dazu passt aber gut ein Zitat des neuen Board-Mitglieds Larry Ellison über Elon Musk, der offenbar für eine Milliarde Dollar Tesla-Aktien gekauft hat:

Ellison also discussed his frustration with critics of SpaceX, Musk’s private space travel company.

„You’re telling me he’s an idiot. I just want to know who you are. Why should I believe you, as opposed to my friend Elon? We’re out here watching this rocket land, which I think is really cool, and you’re there in front of your Apple Macintosh, and typing up an article saying Elon’s an idiot,“ Ellison said.

„This guy’s landing rockets. He’s landing rockets on robot drone rafts in the ocean,“ Ellison said, referring to SpaceX’s trademark drone ships. „And you’re saying he doesn’t know what he’s doing. Well, who else is landing rockets? You ever land a rocket on a robot drone? Who are you?“

Before Oracle billionaire Larry Ellison joined Tesla’s board, he gave an impassioned defense of his ‚very close friend‘ Elon Musk

Fun Fact: Ich musste etwas schmunzeln, wie Stefan Paravicini für die NZZ «robot drone rafts» übersetzt hat: «Dieser Typ landet mit Raketen auf Roboterflossen im Ozean, und ihr sagt, dass er nicht wisse, was er tut». Aber wir schweifen ab, sorry.

Fazit: Es passiert auch diesmal wieder. Zugegeben, was man nie so genau weiss, ist wann. Aber es würde mich nicht wundern, wenn es 2020 sogar mehr als 10% in der Schweiz werden, und auch die ominöse Million in Deutschland wird kommen, ob nun 2020 oder 21 oder 22.

Ich lege mich fest und wette, dass in zwei Jahren die Schlagzeilen lauten werden: «Elektrische Neuzulassungen übertreffen Erwartungen.» Roy Amara, dann 15 Jahre tot, lässt grüssen.

Websites altern schlecht

Meine Firma Scope sitzt in einem über hundertjährigen Haus an der Weinbergstrasse unter­halb vom Zürcher Schaffhauserplatz. Besu­cher freuen sich an den Marmorierungen im Treppenhaus und den generell schönen Büros. Jeder weiss: Häuser al­tern gut, wenn man ih­nen Sorge trägt.

Web­sites dagegen altern ge­nerell schlecht. Zum Bei­ spiel mein Lieblings­-Pizzabringdienst «Flying Pizza» in Zürich­-Wipkin­gen, bei dem ich 2013 das erste Mal bestellt habe: Damals entsprach flyingpizza.ch noch dem Stand der Technik – wo­ bei ich an den Tippfeh­lern auf dem Liefer­schein immer schon merkte, dass ihn wohl jemand abtöggelet.

Fünf Jahre später hat die Website leider einen morbiden Charme: Die Adresszeile sagt «Nicht sicher», Aussehen und Menüführung sind veral­tet, das Kontaktformular ist ganz kaputt, seit Google V1 das Abtipp­-Rätsel reCaptcha abge­schaltet hat. Pizza und Salate sind nach wie vor fein, aber wenn die Tech­nik nicht ersetzt wird, bin ich bald weg.

Was wäre mein Tipp an das sympathische Team? Keine Agentur basteln lassen, sondern «Food Delivery Software» goo­geln und eine Lösung mieten, die nach dem Modell «Software als Service» auf jedem Gerät läuft. Dann bestelle ich gern jahrelang weiter.

En Guete mitenand!

(Veröffentlicht im «Blick am Abend vom 10. Juli 2018.)

«Wortspielnamen funktionieren nie, es sei denn, sie sind total genial.»

Es war am 18. Juni 2015, also fast genau vor einem Jahr. Ich sass mit Sascha Lobo und Kathrin Passig zum Frühstück in Berlin im Café Einstein Stammhaus. Am Nebentisch sass Ex-DGB-Chef Michael Sommer, und ich überlegte zwei geschlagene Stunden lang, wer das ist, aber ich fragte natürlich nicht, denn wer will sich schon vor zwei Ur-Berlinern als ahnungsloses Landei outen. Ein paar Stunden später fiel es mir dann ein.

Ich erzählte von Niuws, wie super das alles liefe (wir hatten damals gerade eine Hochenergiephase, waren kurz vorher beim Newscron Camp in Mallorca gewesen, hauten Features raus wie verrückt), und Sascha sagte, wie beiläufig: «Ja, den Namen müsst Ihr natürlich irgendwann noch ändern, der funktioniert nicht.»

«Dafür ist es jetzt zu spät», antwortete ich. «Ich verstehe, dass das Name in der Schreibweise zu Beginn ein bisschen schwierig ist, aber das wird schon.» Sascha dagegen war sich ganz sicher: «Wortspielnamen funktionieren nie, es sei denn, sie sind total genial.»

Ich war wirklich damals entschlossen, den Namen zu behalten. Doch die Opposition gegen Niuws funktionierte ein bisschen wie ich mir die die angebliche Chinesische Wasserfolter vorstelle (ich traue mich nur, eine Foltermethode zu verlinken, weil dort steht, dass man gar nicht weiss, ob es die wirklich gibt): ein Tropfen nach dem anderen.

Man bekommt Mails und Tweets und Dokumente und so weiter zugeschickt, in denen die Leute den Namen falsch schreiben: Nius (häufigster Fehler). Niues. Niuews. Nieuws (das gibt es, es heisst Nachrichten auf holländisch). Niws. Ich habe alle möglichen Variationen mit dem vorhandenen Buchstabenmaterial gesehen, plus einige mehr. Man sitzt daneben, wenn sie versuchen, die installierte App auf ihrem iPhone zu finden. Kuratoren erzählen, sie bekämen gelegentlich zu hören: «Ich weiss nicht, wo der Punkt hinkommt» – eine Meldung aus der Unterabteilung schwierige Top-Level-Domains (.ws). Es ist nie ein wirklich vernichtendes Feedback, aber ein schleichendes.

Von 2000 bis 2006 habe ich mich ja bei Zeix viel mit Usability beschäftigt und dabei auch immer gern das Verhalten meiner damaligen Kunden, zum Beispiel Produktmanager, im Usability-Labor beschrieben: Der Kunde im Beobachtungsraum sieht die erste Testperson im Labor, die mit seinem Produkt überhaupt nicht klar kommt. Der Kunde denkt: «Puh, wo habt Ihr denn so eine dumme Testperson aufgetrieben?» Es folgt der zweite Test mit ähnlichem Resultat. Der Kunde denkt: «Himmel, der ist ja auch nicht besser.» Beim dritten kommen die reflektierteren unter den Web-Profis ins Grübeln und denken: «Hm, vielleicht könnte es doch auch ein bisschen an meinem Produkt liegen.»

Genauso ging es mir auch mit dem Namen. Und wenn man ihn hundertmal falsch geschrieben gesehen hat in einem Dutzend verschiedenen Schreibweisen, dann denkt man halt irgendwann: «Vielleicht hatte ja Sascha recht.»

Und noch etwas Interessantes ist passiert. Ich habe einige Male an Pitches oder sonstigen Veranstaltungen teilgenommen, bei denen auch andere Startups oder Projekte mit Wortspielnamen teilnahmen (notgedrungen ist das inzwischen eher die Regel als die Ausnahme, es gibt ja für alles andere keine Domains) und vor oder nach mir präsentierten. Prototypisch war die Frühstücksreihe zum Thema Smart Curation der ZHdK von Frédéric Martel, bei der nach mir Andreas Bleuler, der Gründer von Joixes, (sprich: «Choices») sprach, der seine Präsentation sinngemäss mit dem Satz eröffnete: «Ich möchte meinen Vorredner fragen, ob er schon mal überlegt hat, den Namen zu ändern.» – «Klar, wir sind mittendrin.» Ich war überrascht zu merken, dass es neben der allgemeinen Startup-Solidarität noch eine Unter-Solidarität gibt von Startups mit schwer verständlichen Namen.

Und auch wenn ich mich natürlich etwas schwer tue, erstens diesen Kreis von sympathischen Realitätsanerkennern zu verlassen und vor allem zuzugeben, dass ich Ende 2014 wohl einen Fehler gemacht habe, als wir für unseren Markttest auf die Schnelle einen Namen finden mussten und das Minimum Viable Product «Niuws» nannten, haben wir uns nun also umbenannt.

Wie schwierig es ist, einen neuen Namen zu finden und vor allem eine bezahlbare Domain, das wäre eine gute Geschichte für einen anderen Blogpost. Am Ende haben wir uns für «Scope» entschieden und das heute kommuniziert: Kuratierte News-Plattform heisst künftig «Scope».

Lustigerweise ist das ein Name, den ich mir zusammen mit Andreas Von Gunten vor Jahren schon mal für ein ganz anderes Projekt überlegt hatte, das für mich alternativ zu Newscron/Niuws gewesen wäre. Nach einigem Überlegen stellte sich dann aber heraus, dass er auch hervorragend zu unserem heutigen Produkt passt, natürlich in der Hauptbedeutung von «extent or range of view, outlook, application, operation, effectiveness, etc.», aber genauso auch als Verb im Sinne von «to master; figure out», denn unsere Kuratorinnen und Kuratoren haben es drauf, wenn sie jeden Tag die besten Artikel aus ihrem Thema verlinken.

Und so hoffen wir, dass der unvermeidliche Umgewöhnungsprozess, dem wir ja doch alle unterworfen sind, ob der neue Name nun gut schreibbar ist oder weniger gut, schnell gehen wird.

Heute kann ich nur danken: Sascha dafür, dass er der Visionär war, als der er verdammt nochmal aber auch jeden Tag herumgezeigt wird, Kathrin für einen sehr netten Morgen, der mir gut dabei half, das Unvermeidliche noch ein paar Monate hinauszuzögern, Andreas Bleuler für die Solidarität (alles Gute, auch namenstechnisch!) und Andreas Von Gunten, auch Multi-Visionär, Kurator und inzwischen auch Newscron-Aktionär dafür, dass wir «unseren» Namen Scope nun als neuen Namen für Niuws nehmen durften.

PS. Update: Sascha war nicht der einzige, der das damals sofort gesagt hat.

Staunen Sie, was passieren wird – meine Empfehlung für «Slack»

Staunen Sie, was passieren wird (Kolumne in KressPro)

„Internes Instant Messaging? Brauchen wir nicht!“ Das haben über E-Mail auch erst alle gesagt. Aber jetzt ist die Zeit reif für „Slack“ – und zwar nicht nur, weil Sie dann cool sind.

Der Star des Jahres im Silicon Valley heißt Slack, gegründet vom Kanadier Stewart Butterfield, der nach dem Fotosharing-Dienst Flickr zum zweiten Mal mit einem Nebenprojekt ganz groß rauskommt. Auf den ersten Blick ist Slack ein simples Chat-Tool für interne Kommunikation, wie es schon viele davor gab. Auf den zweiten Blick zeigt es seine enorme Wucht: Der E-Mail-Killer, von dem seit 20 Jahren alle reden, ist jetzt da. Ich übertreibe nicht: Seit dem vergangenen Herbst nutze ich intern in mehreren Organisationen Slack, und wir versenden seitdem keine internen E-Mails mehr. Null. Sieben Gründe für Slack und Co.:

1. Sie denken, Ihre Mitarbeiter nutzen brav nur E-Mail? Denkste!
Ihre Leute haben sich untereinander längst für Direktnachrichten vernetzt via: SMS, iMessage, WhatsApp, Facebook Messenger, Skype. Das ist erstens unproduktiv, weil jeder woanders kommuniziert, und zweitens ein Alptraum aus Compliance-Sicht. Stewart Butterfield erzählte neulich in einer Podiumsdiskussion in Austin, er habe eine große Kanzlei als Kunden gewonnen, indem er dem CEO sagte: „Wenn Ihr intern SMS als Kanal nutzt und mal einen Rechtsstreit habt, bei dem die Kommunikation eingesehen wird, schauen fremde Junior-Anwälte deine privaten Nachrichten an.“ Der Kunde habe sofort unterschrieben.

2. Slack ist Spam-frei
Slack ist nur für die interne Kommunikation, jeder Teilnehmer braucht ein Konto. Was zunächst wie ein Nachteil aussieht, ist ein Vorteil: Alle sind bekannt, niemand kann einen vollmüllen mit Sales- oder Spam-E-Mails.

3. Cut the crap!
E-Mails, die mit „Sehr geehrte Damen und Herren“ beginnen, dann in mehreren Sätzen die Lage schildern, bevor der Autor zu seiner kurzen Frage kommt, um mit „Beste Grüße und ein schönes Wochenende“ zu enden, sind ein Relikt aus der Brie ultur. Manche mögen es als Verrohung der Sitten verteufeln, aber die Essenz „Kann der Text so raus? (Link)“ sollte eigentlich intern reichen.

4. Flexible Gruppen
Slack-Gruppen können Themen oder Organisationseinheiten folgen. Gleichzeitig ist aber auch in Sekunden ein virtuelles Team zur kurzen und knackigen Diskussion einer Sachfrage formiert. Ist diese gelöst, wird die Konversation archiviert, kann aber jederzeit reaktiviert oder durchsucht werden. Slack unterstützt damit, wie Firmen in Zukunft funktionieren sollten: als Ansammlung von Ad-hoc-Teams.

5. Slack ist offen und wird immer intelligenter
Seit Jahrzehnten werden uns Management Information Systems versprochen, die Unternehmensdaten aggregiert und zugleich detailliert zur Verfügung stellen. Der monolithische Ansatz von SAP und Co. ist jedoch in den meisten Unternehmen gescheitert, man bekommt die Daten nur schlecht wieder aus dem System heraus. In Austin zitierte Butterfield eine Studie, wonach Firmen bis zu 20 Prozent der Arbeitszeit aufwenden, um intern vorhandene Informationen wieder aufzufinden. Die Internet-Apps der letzten Jahre setzen dagegen auf das Konzept „Small pieces loosely joined“: Spezialisierte Systeme können vor allem eine Sache gut – zum Beispiel Umfragen, Zeiterfassung, Spesenabrechnung – und sind über Programmierschnittstellen miteinander verbunden. Und Slack kann als universelle Abfrageschnittstelle an viele Systeme andocken. Laut Butterfield wird es die Frage „Wie hoch waren meine Spesen im Januar?“ bald beantworten können. Das klingt wie Zukunftsmusik, aber Slacks „App Store“ umfasst bereits Hunderte von Integrationen.

6. Es ist Slack – und nicht Skype for Business
Wer denkt, Skype mache ja eigentlich genau das Gleiche wie Slack, sollte noch mal überlegen. Einer ist übrigens Bill Gates, der sich o enbar in den vergangenen Jahren zu viel mit Malaria beschäftigt hat und zu wenig mit Convenience, denn er persönlich hat laut Techcrunch verhindert, dass Microsoft Slack für acht Milliarden kauft, weil er findet, man könne ja Skype ausbauen. Slack und Skype könnten nicht unterschiedlicher sein, nicht zuletzt aufgrund des enormen Drives, mit dem das Slack-Team bei der Sache ist und im Wochentakt neue Innovationen bringt. Der einzig ernst zu nehmende Slack-Konkurrent wäre für mich übrigens der Facebook Messenger, den Mark Zuckerberg sich ganz oben auf die Agenda geschrieben hat – allerdings bisher nicht für den Einsatz in Firmen.

7. Heute sind Sie noch vorn
Ich bin überzeugt: Instant Messaging als Enterprise-Anwendung kommt so oder so. Aber es ist einfach cooler, wenn man Early Adopter als Late Adopter ist.

MEIN TIPP: Geben Sie nicht Ihrer IT-Abteilung den Auftrag herauszufinden, ob es einen Bedarf gibt, denn deren Antwort kennen wir bereits. Suchen Sie sich ein kleines Team von 15 bis 50 Personen in Ihrer Firma, stellen Sie es denen einfach hin – und staunen Sie, was passieren wird!

Peter Hogenkamp ist CEO der Scope Content AG, die die Plattform «Scope» für handkuratierte Nachrichten zu Fachthemen mit derzeit 70 Channels betreibt.

Aus: KressPro 4/2016
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Convenience is King

Convenience is King (Kolumne in KressPro)

Wer meint, seine Inhalte seien so unverzichtbar, dass seine Kunden jegliche Mühsal auf sich nehmen, sollte sich anschauen, wie einfach es weltweite Marktführer ihren Kunden machen.

„CONTENT IS KING“, SAGT MAN GERN. Dabei wird übersehen, dass oft die Einfachheit, mit der dieser Content zugestellt wird, vielleicht sogar noch wichtiger ist. Natürlich: Wenn der neue Star-Wars-Film erstmalig zum Download verfügbar ist, und das nur bei iTunes, wird man sich als guter Vater dort einfinden und zähneknirschend die 20 Euro abdrücken. Hier ist Content zweifellos noch King, denn die Söhne akzeptieren nur das Original.

Die meisten Medienleute denken, ihre Inhalte seien absolut unverzichtbar, aber Experten sind sich da längst nicht sicher, ob das wirklich stimmt. Häufig sei der zu erledigende „Job“ ein überraschend anderer als nur der Content, fand etwa Harvard-Professor Clayton Christensen („The Innovator’s Dilemma“), als er vor einigen Jahren sein Jobs-to-be-done-Framework – also die Frage: Was ist die eigentliche Aufgabe eines Produkts? – auf Medien anwandte (http://goo.gl/NlV8Dn). Diverse Beispiele kennen wir in den Medien bereits seit Langem: Die Regionalzeitung wird nicht nur wegen der Artikel gelesen, sondern auch wegen der Schweinebauch- und Todesanzeigen. Und die womöglich wichtigste Funktion eines Pendlerblatts ist es, die Zeit auf dem Arbeitsweg zu vertreiben – „20 Minuten“ bei uns in der Schweiz bezieht sogar seinen Namen daher.

Zurück zu Videos wie Star Wars und einer der großen globalen Erfolgsgeschichten der vergangenen Jahre: Netflix, dem Video-Streaming-Dienst mit 80 Millionen zahlenden Nutzern. Wenn Journalisten über Video-Anbieter schreiben, denken sich alle dasselbe Testverfahren aus: Wie viele Filme und Serien sind wo verfügbar? Das Testergebnis lautet dann: Dienst A gewinnt gegen Dienst B mit 120.000 zu 100.000 Titeln.

Dieses Verfahren ignoriert nicht nur die Tatsache, dass eh niemand Zehntausende von Filmen anschauen kann, sondern vor allem, dass der „Job to be done“ für viele Zuschauer schlicht lautet: „Wenn ich abends meinen Fernseher einschalte, will ich werbefrei zwei Stunden gut unterhalten werden.“ Womöglich mit dem Zusatzwunsch: „Wenn ich unterwegs bin, will ich dieselbe Auswahl haben.“ Welche Serie jemand dann anschaut oder ob sie von 2016 oder 2014 ist, ist ihm vielleicht – Schock für die Content-Branche! – mehr oder weniger egal.

Sobald man sich vom Unser-Inhalt-ist-der-beste-Mantra löst, tritt sofort das Nutzererlebnis ins Zentrum. Wenn ich die PR-Aussagen großer Telekom-Anbieter wie Telekom, Unity Media oder Swisscom lese, die regelmäßig sagen: „Unsere Videothek ist genauso gut wie Netflix“, denke ich immer, dass vermutlich kaum ein Konsument Inventarlisten vergleicht wie die PS-Zahlen zweier Autos.

Wem ein Videobeispiel als Analogie für seine Branche zu wenig relevant ist, für den hätte ich noch zwei andere:

Spotify: Der Musik-Streaming-Dienst aus Schweden hat sich zu einer Art De-facto-Standard für Musik im Netz entwickelt. Die Tatsache, dass immer wieder Künstler mit großem Getöse ihre Titel aus dem Spotify-Inventar entfernen lassen, weil sie denken, sie könnten via Downloads (noch) mehr verdienen, tut seiner Popularität keinen Abbruch. Und auch als im Sommer 2015 Apple Music lanciert wurde, wurde das voreilig als Todesstoß für Spotify ausgerufen, der jedoch keineswegs eingetreten ist, sondern es wuchs im Jahr 2015 auf 30 Millionen User. Apple Music ist in Leistung und Preis absolut vergleichbar, doch ist so merkwürdig zu bedienen (das
bis heute seltsam anmutende iTunes lässt grüßen), dass Spotify weit enteilt bleibt.

Kindle: Der E-Reader von Amazon ist ein geschlossenes System, auf das man sich einlassen muss, denn man nimmt hin, dass Amazon das Sagen hat. Aber wer das tut, wird mit einer phänomenalen User Experience belohnt, und zwar über alle Plattformen hinweg. Ein Buch, das man auf dem Kindle zu lesen beginnt, kann man jederzeit auf praktisch jedem anderen Endgerät (Laptop, Smartphone, Tablet) an derselben Stelle weiterlesen. Amazon, dem auch der Hörbuchanbieter Audible gehört, experimentiert sogar damit, dass man ein Hörbuch an derselben Stelle, an der man im E-Book war, weiter hören kann. Die vom deutschen Buchhandel als Alternative forcierte Lösung Tolino ist ein offeneres System, kann aber mit diesen Features nicht ansatzweise mithalten.

Es soll hier nicht darum gehen, blindlings internationale Lösungen gegenüber lokalen in den Himmel zu heben. Und ja, Spotify hat noch keinen Gewinn gemacht, und Netflix stößt an die Grenzen seines Wachstums. Aber wenn jemand behauptet: Unsere Lösung ist gleichwertig, weil unser Content genauso reichhaltig ist, muss erlaubt sein zu sagen: Erstens müssen das die User auch zuerst finden, und zweitens ist der Content nur die halbe Miete.
Als deutschsprachiger Verlag kann man nicht 1 : 1 mithalten mit den Großen aus dem Silicon Valley. Aber man kann sich durchaus jeden Tag ein Beispiel an ihnen nehmen.

Peter Hogenkamp ist CEO der Scope Content AG, die die Plattform «Scope» für handkuratierte Nachrichten zu Fachthemen mit derzeit 70 Channels betreibt.

Aus: KressPro 3/2016
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