Beigen (sic!) von Mails an die neue Bundesrätin

Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf hat seit ihrer überraschenden Wahl am Mittwochmorgen „1200 E-Mails und SMS erhalten“, stand überall zu lesen.

Etwas unterschiedlich wird berichtet über den Anteil an Drohungen:

Waren unter diesen Mails und SMS auch Drohungen?
Widmer-Schlumpf: Es gab massive Drohungen. Es ist nicht das erstemal, dass ich das erlebt habe. Das war schon so, als ich das Kantonsreferendum (zum Steuerpaket)mitgetragen habe. Ich nehme das ernst. Auf 100 Mails oder SMS kamen eines oder zwei solche. (St. Galler Tagblatt)

Wohingegen das „von Hundert“ andernorts wegfiel, was schon noch einen kleinen Unterschied macht:

Zudem bestätigte sie, dass es massive Drohungen gegen ihre Person gab, die in «zwei, drei E-Mails» ausgesprochen wurden, die sie gestern Abend erhalten habe. (20min.ch)

Es reichte auf jeden Fall, um ihr auf dem Weg von ihrer Heimatgemeinde nach Bern am frühen Donnerstagmorgen einen Personenschützer mit breit gestreifter Krawatte mitzuschicken, der es im Bericht von 10 vor 10 am Zürcher Hauptbahnhof auf dem engen Bahnsteig manchmal nicht rechtzeitig aus dem Bild schaffte.

Bild 11

Interessant ist auch noch, dass der Bericht eingeleitet wird mit den Worten: „6.00 Uhr am Zürcher Hauptbahnhof“, während es andernorts hiess, sie sei zuhaus in aller Frühe „mit einer Staatskarosse abgeholt worden“. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln schafft man es auch gar nicht, von Felsberg aus um 6.00 Uhr in Zürich zu sein. Die Staatskarosse hat sie also offenbar nur bis Zürich gebracht, und von dort aus konnte sie dann gutschweizerisch mit der SBB weiterfahren.

Das eigentlich lustige an den 1200 Mails war aber im folgenden 10-vor-10-Bericht Porträt der neuen Bundesrätin zu sehen, bei dem das Fernsehteam ihren leeren Bürostuhl im Finanzdepartement filmte, denn sie war ja in Bern.

Dann kam ihre Sekretärin Lenka Hartmann, die erzählte, es seien „beigenweise“ Mails eingegangen.

Bild 10

Und ein kleiner Schwenk dokumentierte: Tatsächlich. Etwa zwölf Zentimeter Mails:

Bild 9

Wobei ich mich noch frage, ob sie auch die SMSen ausgedruckt haben – was ja naheliegend wäre – und wie das ablief.

Tja, Schweiz, an Deinem soliden vorletzten Platz im europäischen eGovernment-Ranking (Studie „The User Challenge Benchmarking The Supply Of Online Public Services“ als PDF) wird sich also in dieser Hinsicht nichts ändern: Ein Bundesrat, der sich die Mails von der Sekretärin ausdrucken lässt, wird durch eine Bundesrätin ersetzt, die das gleiche machen wird.

eGovernment Country Ranking 2007-12-14

Man könnte zur Tagesordnung übergehen, wie man es eigentlich immer macht als Reaktion auf solche Studien – wäre nicht Österreich auf Platz 1. Aus Schweizer Sicht kann man auf einen guten Skiwinter hoffen und dass die Ösis nächstes Jahr in der Vorrunde ausscheiden. Aber ein schales Gefühl bleibt…

4 Gedanken zu „Beigen (sic!) von Mails an die neue Bundesrätin“

  1. Ja, das habe ich auch gesehen, mit einem auf der Seite liegenden Samsung-Handy, und kurz vorher hält sie sogar sowas wie einen Blackberry in der Hand. Vielleicht müssen wir da nochmal genauer recherchieren.

    Vielleicht druckt die Sekretärin zuhaus nur, damit man alles korrekt abarbeiten kann, und die wichtigen, persönlichen Mails macht sie selbst. Aber das Drucken bleibt bizarr.

  2. Von diesem Zugauftritt am ersten Tag war ich auch hochgradig irritiert. Wie und wann stieg eigentlich das SF in diesen Zug? Waren die gar in den Geheimplan eingeweiht? Oder war das Filmteam in Chur einfach so stand by?

    Peter: Die E-Mail-Beige ist doch Weltklasse! Hast du noch nie eine solche gesehen? Höchste Zeit für den Beitrag „Die E-Mail Beige aufräumen“ auf imgriff.com.

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