Datenschutz vs. Convenience: für viele keine Frage

Kathrin Passig hat in der Reihe „Das nächste grosse Ding“ (gibt’s auch schon als Buch) einen tollen Text mit dem Titel „Public Private Partnership“ über Datenschutz geschrieben, den ich fürderhin immer verlinken werde, wenn jemand sagt: „Iiih, Google, die kriegen meine Daten nicht!“

BerlinerZeitung 2007-01-30

Datenschutz und Datensicherheit sind Themen, die vor allem Journalisten und Datenschützer wahnsinnig wichtig finden. Man muss über irgendwas reden, was neu und modern ist, da kommt reflexartig die Frage nach dem Datenschutz zurück. Weil Journalisten ja gelernt haben, nicht immer so euphorisch zu sein, sondern auch mal kritisch zu reflektieren und an mögliche Nachteile zu denken – und der mit dem Datenschutz ist halt so saueinfach, dass man gar nicht nachdenken muss.

Was die User angeht, sind beides Themen, bei denen man andere Aussagen bekommt, wenn man eine Umfrage macht, als wenn man das Verhalten der Leute beobachtet (was wir bei Zeix ja schon immer sagen, dass Beobachten/Testen viel wichtiger ist – alle Online-Umfragen kann man bis auf wenige Fragen eh vergessen).

Befragt sagen alle immer: „Ja, ist mir ganz wichtig“ – und dann machen sie aber jedes Gewinnspiel mit, haben diverse Bonuskarten, klicken auf Affiliate-Links, tippen überall ihre Daten ein (alles Datenschutz-Beispiele), und nehmen als PIN ihr Geburtsdatum, als Passwort den Namen des Freundes und notieren sich solche Sachen auf dem klassischen Post-it am Monitor (alles Datensicherheit). Das ist zum Teil vielleicht wirklich immer noch mangelnde Aufklärung, aber oft ist es nur der Tradeoff „diffuse Unsicherheit versus Convenience“, bei dem ganz viele Leute sich einfach für die Convenience entscheiden, fertig; ätsch, Datenschützer.

Wohlverstanden, bevor Fachleute wie mds kommen und mir widersprechen: Natürlich kann man nicht alle Leute über einen Kamm scheren, natürlich mögen viele Bedenken berechtigt sein, und natürlich gibt es auch Leute, die verantwortungsvoll mit ihren Daten umgehen. Ich rede aber hier nicht von c’t-Lesern, sondern von Dutzenden und Hunderten von Usern, die ich privat und bei Usability-Tests seit Jahren beobachtet habe.

Das Feature, das Kathrin im Artikel beschreibt, dass der Staat alle meine Handy-Zahlungsvorgänge weiss und ich daher keine Steuererklärung machen muss, finde ich total super, das würde ich heute noch abonnieren. Wie GMail, Google Docs, Skype, Flickr, Blogs etc. etc. auch.

[Ich bloggte auch schon zweimal bei nutzbar.ch zu ähnlichen Themen: Aufgeblasener Spion in der Mailbox und Facts bläst müde „Tricks“ auf.]

6 Gedanken zu „Datenschutz vs. Convenience: für viele keine Frage“

  1. Es gibt aber halt weiter einen Unterschied, ob ich freiwillig meine Daten rausgebe, oder ob jemand kommt und sie holt, ob ich es will, oder nicht. Das Wesen der Freiheit besteht ja nicht darin, dass ich etwas tun kann, sondern auch darin, dass ich etwas nicht tun muss. Dazu kommt, dass ich meine persönliche Offenheit auch einstellen kann, wenn ich dazu Lust habe, wenn sie verordnet wird, geht das jedoch nicht.

  2. Willkommen, Don.
    Dem Argument kann ich mich natürlich nicht verschliessen. Ich bin halt einer von denen, die sie freiwillig rausgeben. Und wenn es ums Arbeiten geht, ist es manchmal praktisch, wenn andere auch Sachen rausgeben, weil es sich da draussen im Internet manchmal leichter kollaboriert als im „Walled Garden“.
    Aber jeder sollte selbst entscheiden können, was mit seinen Daten passiert, das ist sicher richtig.

  3. Enttäuschend: Kathrin Passig schreibt Datenschutz und Privatsphäre aus der Welt, hat aber bis heute nicht auf meine E-Mail geantwortet, in der ich sie gebetemn hatte, mich an ihrer «Privatsphäre» teilhaben zu lassen? typisch, denn auch all jene, die sagen, sie hätten nichts zu verbergen, zeigen sich in Realität in dieser Hinsicht sehr «verklemmt»! :->

  4. ich habe der frau mit der grossen klappe damals auch geschrieben und warte heute noch auf eine antwort.

    die idee, das jeder selbst entscheiden soll, welche daten er herausgibt, finde ich gut. sie funktioniert aber nicht. man kann häufig nicht entscheiden, sondern muss einfach, und auch wenn man entscheidet, hat man keine kontrolle über die weiterverwendung. die datenerfassung der nazis zur jagd auf juden ist ein bekanntes beispiel, das gerade deutschen bekannt sein müsste (aber nicht ist, ansonsten würde man das zentrale melderegister nicht wieder einführen).

    ein tagesaktueller link für hogenkamp, die frau mit der grossen klappe und alle anderen die glauben, privatsphäre sei unwichtig:

    http://www.heise.de/tp/r4/artikel/26/26459/1.html

  5. Vielleicht täusche ich mich hier gewaltig, das gebe ich gern zu. Mein Hauptpunkt ist ja auch jeweils: Die USER interessieren sich definitiv und reproduzierbar unglaublich wenig für Datenschutz. Punkt. Die Frage ist nun, inwieweit wir sie vor sich selbst schützen müssen.

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