(Sorry für den Titel, manchmal mag man einfach dem billigen Wortspiel nicht ausweichen…)
Bei Industrial Technology & Witchcraft auf Ippen, WAZ und Holtzbrinck starten Trauer-Website gestossen:
»Die Verlage Ippen, WAZ und Holtzbrinck starten ein Trauer-Portal im Internet. Die WAZ Gruppe in Essen bestätigte am Mittwoch einen entsprechenden Bericht des Münchner Wochenmagazins «Werben & Verkaufen» (W&V). Das Portal soll an Totensonntag (26.11.) unter der Adresse www.trauer.de ans Netz gehen. Es sei Teil der gemeinsamen Internetplattform «ISA» (Immobilien, Stellenanzeigen, Automobil), sagte ein WAZ-Sprecher.«
trauer.de sei wirtschaftlich interessant, weil man z.B. Blumengeschäfte im Umfeld von Friedhöfen auflisten könne.
„We put the fun back into funerals“ muss ich natürlich denken, der Slogan eines Web-1.0-Businessplans, der trotz allem nicht mal im heissesten Hype 1.0 finanziert wurde.
Aber so sind sie natürlich nicht. Obwohl noch nicht Totensonntag ist (Super Launchdate! Die haben sich echt was überlegt!), ist trauer.de jedenfalls schon live.
Eigentlich ist es auf den ersten Blick gar nicht so schlecht gemacht. Gesetzt in den Farben, natürlich, aber zum Glück nicht auf ganz schwarzem Hintergrund, wie man es früher gemacht hätte. Mit „Kondolenzbereichen“, etwas zu amtlicher Name, finde ich, in den USA würde das wohl „express your grief here!“ heissen oder so, aber gut. Man kann auch für Promis trauern oder für Unglücke, wieso nicht, da sehe ich durchaus „Potenzial“, wenn man das so sagen darf.
Wenn man näher hinschaut, fallen einem ein paar kuriose Dinge auf.
Zum Beispiel die URL. Die Traueranzeige von Maria Bauer hat die URL: http://trauer.de/index.php?page=fatality&fat_id=997. „fatality“ geht ja noch, Programmierer sind ja immer soo international, „trauerfall“ wäre da sicher nicht gegangen. Und Maria Bauer stört es sicher auch nicht mehr, dass sie im Tod eine „fat_id“ bekommen hat.
Einträge im Kondolenzbuch, die mit „Sehr geehrter Herr Sielmann“ anfangen.
Kondolenzbereiche, die man erst mit Registration eröffnen muss.
Trauerfall-Dokumente mit lauter Wortlücken wie „St erberosenkranz“.
Sehr gut scheint der Bereich Ratgeber.
Wenn man rechts auf „Traueranzeige (Print)“ klickt (Wie oft soll man das den Medienleuten noch sagen: Nur Ihr redet von „Print“. Alle anderen nennen es „Zeitung“, also muss auch der Link so heissen), wird einem sofort alles klar: trauer.de ist ein klassisches „Print-Plus“-Modell: Man kommt in die Zeitung und zusätzlich ins Internet. Zeitung ist das, wofür man bezahlt, Online ist das Gratis-Add-on. So steht’s auch in den FAQs:
2. Wie kann ich einen Trauerfall veröffentlichen?
Auf trauer.de werden aussschließlich Trauerfälle veröffentlicht, die in den Partnerzeitungen erschienen sind. Wenden Sie sich dazu bitte an Ihre lokale Tageszeitung. Den Ansprechpartner finden Sie unter „Traueranzeige aufgeben“ in der Navigationsleiste.
Ach ja. Web 2.0, was war das nochmal? Genauso wie hier haben es die Zeitungen mit den anderen Classifieds (Immo, Job, Auto) vor knapp zehn Jahren gemacht. Und sind mit grossem Drive rechts überholt worden von den Online-Startups wie Scout24. Denn: Online aus Print ist immer weniger als die echte Online-Konkurrenz machen würde.
Da hat sich also mal wieder jemand nicht getraut, das letzte noch profitable Geschäft zu kannibalisieren und macht stattdessen eine halbherzige Online-Übung.
Wenn morgen jemand ein echtes Startup unter trauerfall.de (Domain bei Sedo zum Verkauf, würde maximal 2000 Euro zahlen, sonst was anderes suchen) machen will, hier die zehn Sachen, die man besser machen kann als trauer.de:
1. Gescheite URLs. www.trauerfall.de/2006/10/10/82229-Droessling/MariaBauer.htm (oder so).
2. Personalisierbar nach Ort/PLZ. Trauerfälle aus meiner Gegend sofort auf der Homepage. E-Mail-Benachrichtigung und RSS-Feeds.
3. Online-Eingabemaske mit allen Daten, damit man zu einer gescheiten Datenbank kommt.
4. Kondolenzbuch automatisch unter jedem Todesfall per einfachem Kommentar. Mit Benachrichtigungsfunktion.
5. Todesfall-Einträge gratis
6. Fotos des/der Vorstorbenen in der Todesanzeige zulassen.
7. Premium-Todesanzeige (nicht unter dem Namen!) verkaufen für 19.95 Euro. Sinnvolle Leistungen muss ich mir noch überlegen.
8. Logik umkehren: Möglichkeit, aus der Online-Datenbank mit einem Klick eine Todesanzeige in Zeitungen zu schalten.
9. Sinnvolle Dienstleistungen anbieten: Links zu Dienstleistern für Trauerzirkulare, Bestattungsunternehmer, Blumen etc. Möglichkeit, die eigenen Daten und die des/der Verstorbenen gleich zu übermitteln.
10. Todesfälle nie löschen. Suchmaschinenoptimierung machen, damit mit „Maria Bauer Drössling“ auch noch lange gefunden wird.
Könnte bei knapp einer Million Sterbefälle in Deutschland pro Jahr funktionieren. Hallo, 28jährige Firmengründer ohne Idee? Ich investiere gern in Eure trauerfall.de AG.
Tags: Todesfall, trauer.de, Ippen, WAZ, Holtzbrinck, Web 2.0