Falls noch jemand Zweifel an der Existenz des Röschtigrabens hegte, gräbt das Migros-Joint-Venture Le Shop ihn noch ein bisschen tiefer. Oder doch nur etwas schräger?
In vorauseilendem Gehorsam auf einen Kassensturz-Bericht „Quälerei: Gestopfte Gänseleber zu Weihnachten“, der erst heute Abend ausgestrahlt wird (Themenvorschau) hat LeShop hektisch eine Kundenbefragung gemacht (Wow! Über Nacht haben sie 10’000 Leute befragt?) und präsentiert uns nun die Aussagen der Kunden zur Stopfleber. (Dass das Tierquälerei ist, weiss man ja schon seit vielen Jahren, was aber selektiv politisch korrekte Blogger nicht am Zuschlagen hindert. Sollen wenigstens ihren Mund halten.)
Heraus kommen zwei unscharfe Grafiken in der Medienmitteilung, eine Entscheidung von beispielloser Konsequenz und ein bisschen Gebastel um sieben Uhr morgens. Jetzt aber schön der Reihe nach.
Aus der Medienmitteilung:
Auf Anstoss der Sendung «Kassensturz» des Schweizer Fernsehens SF1 vom 18. Dezember befragte LeShop.ch 10’000 der regelmässigsten Kundinnen und Kunden durch das LINK Institut in Lausanne.
Hm. Wenn es 10’000 Leute waren, wieso steht dann über der Grafik: „Basis: 1491 Personen“?
Jedenfalls, die Deutschschweizer sind, wie sich das gehört, korrekt mit einem Schuss liberal: 78% wollen, dass LeShop keine Stopfleber mehr anbietet, fast alle anderen wollen die Kunden entscheiden lassen.

Ganz anders natürlich die Westschweizer, beim Essen überzeugte Franzosen. Hier ist eine Zweidrittelmehrheit dafür, die Stopfleber im virtuellen Regal zu lassen. Auch cool sind die 6%, die nicht mal wollen, dass die anderen Leute die vermeintlich gänsefreundliche (ich glaub, geschlachtet werden sie allerdings trotzdem noch) Leber essen dürfen. (Das wäre doch mal ein Vorbild für die USA und ihre Haltung zum Klimaschutz: Wir wollen nicht reduzieren, und die anderen Länder sollen gefälligst auch nicht!)

Natürlich kann man solche Grafiken nur nach Landsmannschaft präsentieren, denn da es viel mehr Deutschschweizer gibt als Westschweizer, wäre natürlich eigentlich die Öko-Position in der Mehrheit. Die empörten Schlagzeilen in der Westschweiz hätte man sich vorstellen können, wenn LeShop aufgrund dieser Mehrheit die Stopfleber ganz aus dem Sortiment genommen hätte. Das wäre konsequent gewesen, hätte aber Umsatz gekostet, und zwar vermutlich gleich den ganzen Weihnachtseinkauf. Also machen sie es natürlich nicht, sondern eine Röschtigraben-Lösung, bei dem man dreimal lesen muss, bis man sie verstanden hat:
LeShop.ch reagiert auf diesen deutlichen Kundenappell und nimmt per sofort in der Deutschschweiz alle Foie-Gras Produkte aus gestopfter Produktion aus dem Weihnachtssortiment. In der Westschweiz gehört Foie-Gras traditionellerweise auf viele Festtagstische. Hier will die Mehrheit der Befragten wählen können, zwischen Artikeln aus gestopfter und ungestopfter Produktion. LeShop.ch führt darum zwei Gänse- und Entenleber-Produkte aus ungestopfter Produktion und kontrollierter Tierhaltung ein.
Aha. Die Westschweizer dürfen also weiterhin. In der Deutschschweiz dagegen wird die Stopfleber einer Minderheit von 22%, die sie eigentlich weiter essen wollen, brutal entrissen.
Und wer sagt denn, dass die Grenzen so nicht viel zu grob gezogen wurden? Was ist mit der Auswertung nach Kanton? Müsste man nicht vielleicht im Kanton Bern, wo auch noch ein paar versprengte Französisch sprechen, nochmal über die Bücher? Oder auf Gemeindeebene. Ich kann mir gut vorstellen, dass im Bündnerland einige, sagen wir romanisch sprechende Gemeinden eine ganz andere Vorstellung von Leber, ja von vielen Lebensmitteln haben, als die Nachbargemeinde aus dem Nebental. Da muss man doch reagieren!
Ich finde, es sollte eine Volksinitiative geben, dass jede Gemeinde selbst abstimmen kann, welche Lebensmittel verkauft werden dürfen, und ob in einer Bio-, in einer ungesunden oder in anderen Varianten. Für den Abstimmungsmodus könnte man das bewährte Schweizer Wahlsystem mit kumulieren und panaschieren nehmen, also:
Ich streiche die Haifischflossensuppe und den Nicht-Delfin-freundlichen Thunfisch, nehme aber dafür zweimal Froschschenkel – und einmal Negerküsse.
LeShop jedenfalls ist erstmal am Schrauben. Allerdings: Während die Medienleute Nachtschicht machen, kommen die ITler wie üblich erst um 7 Uhr. Um kurz nach sieben kamen bei PLZ 1000 (Lausanne) und 8004 (Zürich) noch dieselben neun Treffer:

Irgendwann dagegen wechselte es bei Zürich auf diese lustige Seite mit einembis acht Treffern:

Strategiefazit: Proaktiv schön und gut, aber irgendwie scheint das eine Aktion der Marke: „Hauptsache, wir haben schnell irgendwas gemacht.“
Kommunikationsfazit: Ein bisschen durcheinander, aber war ja auch spät.
IT-Fazit: Wer denkt, richtige Firmen schrauben nicht live an Datenbanken, irrt einmal mehr.
Politikfazit: Wer keine Fantasie hat, zu welchen Themen es bald alles „Initiativen hageln“ wird: Da fiele uns schon noch einiges ein.